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Äthiopien

24.02.2010 Gesime- Asosa

Wir stehen vor der Grenze und können es selbst kaum glauben. Kurmuc war in unserem Sinne schon kaum vorstellbar, aber dieser Grenzübergang ist fantastisch. Wir durchqueren ein ausgetrocknetes Flussbett, indem Frauen und Mädchen nach Wasser graben, um ihre Plastikbehälter zu befüllen. Auf der anderen Seite liegen zwei Soldaten im Schatten der Mangobäume, die Gewehre neben sich platziert. Wir halten an, sie schlendern barfuß und mit ungläubigen Blicken auf uns zu. Wir sprechen nicht die gleiche Sprache, können ihnen nicht verständlich machen, dass wir die Erlaubniss besitzen, nach Äthiopien einzureisen. Wir kehren um, suchen die Polizeistation auf. Der Wachtmeister begleitet uns. Wir bekommen weder einen Ausreisestempel für uns noch einen ins Carnet de Passage, lediglich eine Unterschrift. Das wir keinen Stempel bekommen, ist keine Boshaftigkeit und keine Frage des Geldes. es gibt hier einfach weder Stempel noch Stempelkissen...

Dann sind wir in Äthiopien. Uns kommen keine Autos entgegen, was auf dieser Straße auch verständlich ist. Möglich, dass wir nicht nur die ersten Touristen sondern auch das erste Auto sind. Junge Männer mit Eselskarren, die uns begrüßen, uns Orangen schenken. Nach 2 km auf dem Track dann ein Dorf mit Militär. Sie halten uns an, versuchen unsere Reisepässe zu verstehen, wollen uns nicht durchlassen. Bis zwei andere Männer hinzukommen und uns durch winken. Auch hier keinen Einreisestempel in den Pass oder ins Carnet. Die Straße wird gut, steinig und staubig. Die Landschaft atemberaubend. Die Menschen verhalten, sie grüßen nicht und scheinen sich nichts aus uns zu machen. Wir sind unglaublich glücklich, diesen Weg gewählt zu haben, können es kaum fassen es bis nach Äthiopien geschafft zu haben. Nach knappen 50 km steiniger aber guter Straße halten wir am Wegerand, backen Pfannkuchen mit Schokocreme. Es dauert keine 10 Minuten bis ein aufgeregter, bewaffneter Polizist zu uns stößt. Er kann kein Englisch, hält den vorbeifahrenden Bus an und bittet jemanden zu übersetzten. So haben wir gleich 30 Leute um uns, die uns verständnislos und stumm einfach nur anstarren. Der junge Mann erklärt, dass wir einen Polizeiposten übersehen haben und der Polizist uns bittet die Strecke zurück zu fahren, damit unsere Papiere kontrolliert werden können. Wir dürfen noch essen, bekommen aber gleich einen weiteren Polizisten an die Seite gestellt.
Auf der Polizeiwache dann für uns die totale Überraschung. Man nimmt uns unsere Reisepässe ab und behauptet, wir währen illegal ins Land eingereist. Wir versuchen uns zu erklären, geben die Telefonnummern raus, doch, hier gibt es keine Hoffnung auf ein Telefonnetz. Statt uns zuzuhören werden uns Autoschlüssel, Taschenmesser und Taschenlampe abgenommen, unser Auto wird durchsucht. Nach über einer Stunde wird uns ein bewaffneter Polizist ins Auto gesetzt, mit dem wir ins 90 Kilometer entfernte Asosa fahren sollen. Schweigend sitze ich auf der immer heißer werdenden Motorenklappe in der Mitte, die Straße wird wieder schlechter, den ersten Affen den wir auf unserer Reise begegnen können wir kaum Bedeutung zukommen lassen. In Asosa werden wir von dem uns begleitenden Polizisten dazu aufgefordert, die Autoschlüssel abzugeben. Wir weigern uns. Zum Glück werden wir von einem netten Mann von der National Security bereits erwarte. Dieser wirft einen Blick in unseren Pass und gibt seinen Männern und uns zu verstehen, dass es keinen Grund zur Haft gibt, wir sind nicht illegal im Land, haben ein gültiges Visum. Wir bekommen dennoch unsere Pässe nicht wieder, müssen auf dem Polizeigelände bleiben, er kümmert sich morgen um die Angelegenheit.

25.02.2010 Asosa- Bambesi

Nach einem Frühstück mit vielen Zuschauern werden wir in einen Raum gebeten, in dem bereits acht Männer Platz genommen haben. Wieder fällt das Wort “illegal”. Wir bleiben sehr gelassen doch versuchen schnell das Ruder in unsere Hände zu bekommen, was uns recht gut gelingt. Die Männner werden kleinlauter bis ihnen irgendwann nur noch einfällt “ but you are in Africa...”. Die National Security spricht uns frei, meint wir können fahren, hilft uns beim Geldwechsel. Doch die Polizei sieht dies nicht so, will unsere Pässe erst am Nachmittag raus geben. Wir verlieren unsere letzten Kräfte, werden in ein weiteres Büro geschleppt ohne wirklich zu wissen vor wem wir uns erneut rechtfertigen müssen. Das System ist unglaublich undurchsichtig, es gibt keine Funktionsträger sondern Personen, die Ansprechpartner stellen. Niemand ist bereit uns ein Schriftstück zu geben, wir bekommen lediglich Telefonnummern und Namen. Nach 26 Stunden eingeschränkter Bewegungsfreiheit bekommen wir die Reisepässe wieder, natürlich nicht abgestempelt. Die nächste Polizeisperre soll informiert werden, doch dort angekommen erkennen wir, dass es auch hier kein Telefonnetz gibt, der Checkpoint also von nichts weiß. Geduldig warten wir bis einer mit Handy einen Ort aufsucht, an dem es Netz gibt, zurück kommt und die Schranke für uns öffnet. Die Nummern scheinen also zu funktionieren, unfassbar...

26.02.2010 Bambesi- Nejo

Die dörflichen Strukturen in Äthiopien sind ganz anders angelegt als die im Sudan. Die Menschen leben großflächig übers ganze Land verteilt, haben weite Pfade zu bewältigen um an feste, befahrene Straßen zu gelangen. Die Häuser sind aus Holz und Lehm, die meisten mit Wellblechdächern versehen. Die Frauen tragen figurbetonte Röcke und Blusen, die Männer Anzüge. Das Land scheint unglaublich fruchtbar und grün, Weizen, Mais und Hirse wurde gerade geerntet, daher sind die Felder leer. Komischer Weise fällt es uns dennoch sehr schwer, Nahrung zu finden. In den Dörfern sitzen selten Kinder oder Frauen auf der Straße, um geerntetes zu verkaufen. Selten finden wir Kartoffeln, Zwiebeln und Tomaten, geschweige denn abwechslungsreicheres. Kinder werden angeblich gebraucht, um die Grundbedürfnisse der Familie abzudecken. Feuerholz sammeln, Wasser holen, Kühe hüten. Verständlich, doch wenn man die große Anzahl an herum lungernden Jugendlichen sieht, wird man wütend. Lediglich 52 % der Kinder gehen zur Grundschule, 12 % der Kinder zu weiterführenden Schulen (Lonely planet,2006) In jedem größeren Dorf gibt es eine Tischtennisplatte und einen Kicker, an denen sich die jungen Männer die Tage vertreiben. Oft sieht man Gruppen, die den ganzen Tag im Schatten der Bäume sitzen und nichts tun.

27.02.2010 Nejo- Ghimbi- Guyi

Wir verlassen die gute Asphaltstraße für die nächsten Offroadkilometer. Wir wollen nach Sodo, haben das kleine Dorf auf der Karte gefunden und vermuten, dass dieses Dorf das “Milleniumsdorf der Welthungerhilfe und Viva con Aqua” ist. Im Vorfeld haben wir beide angeschrieben, ob wir Sodo besuchen können, wollten schauen mit welcher Methodik ein Dorf als Musterbeispiel aufgebaut wird. Doch wir haben eine Absage bzw. gar keine Antwort bekommen. Nun habe wir uns gedacht, einfach mal als Touristen vorbei zu fahren. In Ghimbi machen wir eine Pause, finden einen Shop mit kleiner Gemüseauswahl, ein lokales, einfaches Restaurant, in dem wir Injera essen. Das etwas größere Dorf ist wie alle anderen auch sehr sauber, man findet kaum Plastikmüll am Straßenrand. Frauen gehen mit geflochtenen Basttaschen durch die Straßen, in den kleinen Läden gibt es einfach kaum Lebensmittel, die in Plastik verpackt sind, im Angebot.
Wir gehen zurück zum Auto, lächeln über die komisch ruhige Stimmung auf der Straße. Ungewohnt, wo wir sonst sofort eine Kinderschaar um uns versammelt haben scheint hier niemand an unserer Anwesenheit interessiert zu sein. Angekommen an der direkt auf der Straße geparkten Lady erkenne ich sofort was los ist. Das kleine Seitenfenster wurde von außen aufgeschoben, die Kameratasche liegt auf dem Fahrersitz. Wir wurden zum ersten Mal auf unserer Reise bestohlen. Ich werfe einen Blick hinter den Beifahrersitz, hinter dem ich den kleinen Navigationscomputer verstaut habe. Er ist noch da. Lediglich meine Digitalkamera scheint zu fehlen. Mit wenigen Worten ist die Situation zwischen Jonathan und mir geklärt, er stürzt sich auf einen Jungen, den ich meine schon beim Aussteigen vor dem Shop sitzen gesehen zu haben. Sofort bildet sich eine große Menschentraube um uns, alle starren uns an, keiner sagt ein Wort. Die Situation ist klar, wir werden die Kamera nie wieder sehen, hier wird niemand seinen Freund oder Bekannten ausliefern. Trotzdem fahren wir zur Polizeistation, gelangweilt wird unsere Anzeige in ein dreckiges Notizbuch geschrieben. Einer der Polizisten erbarmt sich, kommt mit uns zurück in das Dorf. Alle Menschen die vorhin beteiligt waren, sind längst verschwunden, der Polizist macht sich auch schnell wieder aus dem Staub. Wir versuchen es noch mal mit sanften Worten, ein junger Mann schaut uns fast verächtlich in die Augen, sagt uns das, was wir schon längst wissen. Hier wird niemand den Dieb ausliefern, die Menschen leben mit Hunger und in Armut, mit diesem Diebstahl retten sie sich über einen Monat hinweg. Wir haben verstanden und gehen...
Es ist nur die Kamera, die weg gekommen ist, mehr nicht. Die meisten Bilder haben wir glücklicher Weise vor ein paar Tagen auf die Festplatte überspielt, so dass auch hier keine großen Erinnerungen fehlen. Dennoch bestärkt dieses Erlebniss die derzeitige Abneigung gegen dieses Land. Wir wurden von der Polizei mehrmals gefragt, was wir denn überhaupt in Äthiopien zu suchen haben, niemand konnte unser Anliegen der Durchreise nach Kenia verstehen. Entweder du hast eine Mission zu erfüllen oder du hast hier nichts zu suchen. Und auch von der Mission scheinen die Menschen hier die Nase voll zu haben, sonst kann ich mir die unfreundlichen Mimiken und Gestiken nicht erklären. Ich habe mich auf der ganzen Reise in noch keinem Land so unwillkommen gefüllt wie zur Zeit.

28.02.2010 Guyi- River Dipa Shet

Eine erneute Probe für die Lady- 60 Kilometer Schotterpiste, die in der Karte als durchgehende Straße bis nach Metu eingezeichnet ist. Denn wir müssen in Bube erfahren, dass der grau eingezeichnete Track nach Sodo wirklich nur ein Track für Esel und Menschen ist. Doch auch diese Straße nach Metu befindet sich erst im Bau. Nach knappen 45 Kilometern erreichen wir den Parkplatz der kräftigen Baufahrzeuge und das Ende der Straße. Ein kleiner Track führt dennoch weiter und wir wollen es versuchen. Der Wald wird dichter und höher bis wir an einen Fluss gelangen. Wir steigen aus um die querende Holzbrücke zu begutachten. Beide entscheiden wir sofort, dass hier auch für die Lady die Straße zu ende ist.
Die Brücke ist so morsch und alt, dass bereits ein Längsbalken in das sieben Meter tiefere Wasser gestürzt ist und nun mittig den Weg versperrt. Auch die Querbalken sind verrottet und tragen mit Sicherheit keine 4 Tonnen Gewicht mehr. Wir schauen nach anderen Möglichkeiten, den 4 Meter breiten Fluss zu queren, müssen aber irgendwann erkennen, dass hier unser Limit erreicht ist. Denn wir sind alleine und sollten wir in irgendwelche Schwierigkeiten kommen, könnte unsere Reise hier zu Ende sein. Das wollen wir nicht aufs Spiel setzten. Wir bleiben die Nacht im Urwald, die Affen springen von Baum zu Baum direkt über unsere Köpfe hinweg. Irgendwie ist das alles ganz schön verrückt, das muss ich jetzt auch so langsam zugeben...

01.03.2010 River Dipa Shet- Nekemte

Wir fahren die gesamte Strecke bis Ghimbi zurück, von dort aus dann auf der guten Asphaltstraße bis Nekemte. Weiter Richtung Addis Ababa kommen wir an einem frisch eröffnetem Resort vorbei. Wir fragen, ob wir eine Dusche nehmen können und auf dem Parkplatz in unserem Auto schlafen können. Die Besitzer haben Mitleid mit unseren erschöpften Gesichtern und bieten uns zum halben Preis ein tolles Zimmer und ein Abendessen, dankbar nehmen wir an. Eine große Gruppe Deutscher hat sich hier für eine Nacht einquartiert, ein junger Mann erzählt, dass er Marcel, Johanna, Ronja und Julia aus der Feuerwehr in Gonder angetroffen hat, die Familie mittlerweile in Nairobi angekommen sein müsste. Irre wie unterschiedlich die Reisegeschwindigkeiten sind. Von den Hollandis, mit denen wir zusammen in den Sudan eingereist sind, bekommen wir in Addis eine Email, dass diese bereits in Nairobi angekommen sind!

02.03.2010 Nekemte- Gedo

Am Morgen macht Jonathan bei der Schraubenkontrolle eine schlimme Entdeckung. Das Dach der Fahrerkabine ist durch die Last des Gastankes bis auf die Isolierung an zwei Stellen eingebrochen.
Wir lernen Christine aus Rotenburg/ Wümme kennen. Sie lebt mit ihrem Mann und Sohn seit 4 Jahren in Addis, arbeiten in einem HIV/Aids- Projekt vom EED. Wir unterhalten uns ausgiebig über die Entwicklung des Landes, sie erzählt von 14 Millionen Menschen, die seit vielen Jahren von UN- Nahrungspaketen abhängig sind. Unfassbar in einem solch fruchtbaren Land. Doch das Land ist ein wichtiger militärischer Stützpunkt und somit wird hier Hilfe hineingegeben, wo sie gefordert wird, ohne große Fragen zu stellen. Wir lachen beide über die eigenen ersten “Afrikaerfahrungen”, wie unsicher man sich bewegt hat, welche Art von Fehlern man gemacht hat. Sie fügt ernst hinzu: Das schlimme ist, egal ob man mit 20 oder 40 Jahren zum ersten Mal ein ernst hinzu: Das schlimme ist, egal ob man mit 20 oder 40 Jahren zum ersten Mal ein Land in Afrika bereist, man wird die gleichen, naiven Fehler machen. Die ersten Schritte können nur falsch sein. Und die, die wirklich länger bleiben, betrachten Entwicklungshilfe als Business und verdienen ihr Geld mit dieser Arbeit. Denen ist es irgendwann gleichgültig, ob die Arbeit einen wirklichen Entwicklungsfortschritt für die Menschen bringt, oder auch nicht. Wir tauschen Telefonnummern aus.

03.03.2010 Gedo- Addis Ababa

Wir haben einen ruhigen Vormittag, keine Menschenseele weit und breit, bis sich zwei Männer durch die Büsche schlagen. Im gepflegten Anzug stehen sie vor uns, starren uns an, fragen schließlich, ob wir etwas zu essen hätten. Eine etwas andere Situation, als wenn Kinder die Hand ausstrecken. Die Straße ist unglaublich schlecht, Jonathan lenkt die Lady geschickt um die tiefen Schlaglöcher. Am Nachmittag erreichen wir Addis.

Wir parken auf dem Itigue Taitu Hotelparkplatz, haben gehofft die anderen zu treffen doch müssen enttäuscht feststellen, dass wir alleine sind. Auf der Straße haut uns die Großstadt um. Prostituierte, Straßenkinder, “verkrüppelte” Bettler, die 200 Meter lange Straße beherbergt jeden Meter einen Menschen dieser Gruppierung. Ständig werden wir angesprochen, die Menschen wollen Geld, wollen Essen, wollen uns Drogen verkaufen.

04.03.2010 Addis Ababa, Immigration Office, versucht zu beklauen

Wir machen uns gleich auf den Weg zur Einwanderungsbehörde, um den Eintrittsstempel zu ergattern. Wir fragen uns durch und gelangen irgendwie zum richtigen Büro. Erklären unsere Situation und ernten verständnislose Blicke. Was fällt uns ein diese Grenze zu nutzen??? Im richtigen Büro angekommen werden nicht nur wir unsanft und hochkant wieder rausgeschmissen, unsere Pässe werden einbehalten, wir sollen morgen wieder kommen. Wir erkennen den Ernst der Lage noch nicht, fühlen uns stark, da wir uns im Recht glauben.
In der Stadt auf dem Weg zum Geldautomaten (hier gibt es wieder welche) wird Jonathan unsanft angerempelt und in die Arme einer dritten Person geschupst. Er reagiert blitzschnell, nimmt den jungen Mann in den “Schwitzkasten”, da er eine Hand in seiner Jackentasche gespürt hat, auf der Suche nach einem Wertgegenstand. Ein Glück für das Taschendiebteam, das sie nicht fündig geworden sind...

05.03.2010 Addis Ababa, der Schock

Pünktlich um 9 Uhr stehen wir wieder im Büro der Einwanderungsbehörde und werden erneut hochkant hinaus befördert. Wir ernten von den Menschen um uns herum müdes Gelächter, als wir den Grund erfragen, warum man uns erneut auf den nächsten Tag vertröstet. Glücklicherweise haben wir von einem deutschen Motorradfahrer (www.fernwehge.de) erfahren, dass sich einige unserer Freunde aus Ägypten auf einem anderen Campingplatz rumtreiben. Wir packen sofort unsere Sachen und machen uns auuf den Weg zu WIMs Hollandhouse. Es tut unglaublich gut, in die Arme von Bobo, Bine, Wolfgang, Sybille, Erik und Alexandra zu fallen, unsere Geschichte zu erzählen und einen guten Rat entgegen zu nehmen. Ruft sofort die deutsche Botschaft an! Gesagt getan. Die Botschaft gibt uns eine erschreckende Nachricht. Wir sind illegal in Äthiopien, es wird ein Gerichtsverfahren gegen uns geben in dem entschieden wird, ob wir das Land innerhalb von 24 Stunden per Flugzeug verlassen müssen oder mit einer Geldstrafe davon kommen. Die Immigration hat das Recht, uns am Montag ins Gefängnis zu stecken, bis es eine Entscheidung gibt. Das Visum in unserem Reisepass ist keine Aufenthaltsgenehmigung im Land... Wir sind geschockt, haben wir uns doch die ganze Zeit auf der sicheren Seite gefühlt.

Wir entscheiden uns trotzdem dafür, zu der deutschen Leprahilfe in das Allerthospital zu fahren. Von Ahmed Mohammed, dem Direktor, sind wir total begeistert. Er organisiert uns ein Projekt der Leprahilfe in Shashamende. Er nimmt sich viel Zeit für uns, beantwortet geduldig unsere Fragen. Wirklich erstaunlich, welch unterschiedlichen Charakteren wir auf unserer Reise bereits begegnet sind. Ahmed gehört definitiv zu der beeindruckenden Sparte.

06.03.2010 Facing Africa

Wir treffen uns mit Chris und Terry Laurence von der englischen NGO “Facing Africa”. Im Jahr 2005 habe ich mit der holländischen NGO “ Nomafoundation” in Nigeria indirekt zusammen gearbeitet. Während unserer Recherchen nach NGOs auf unserer Reisestrecke sind wir zufällig auf diese NGO gestoßen, die in Äthiopien im gleichen Feld arbeitet- plastische Chirurgie für Nomapatienten. Per Email hatten wir lange vorher bereits Kontakt aufgenommen, so dass wir einen Zeitraum hatten, in dem ein englisches Ärzteteam für 2 Wochen in Addis zur “Marathonoperation” antritt. Leider war die Woche vor uns ein Team von BBC vor Ort, so dass wir vorab schon die Info bekommen, dass die Ärzte ein wenig genervt von Kamerateams sind... Terry gibt uns den dringenden Tipp, einen Abstecher in das nahegelegene Mutter Theresa Krankenhaus zu machen. Hier werden die ärmsten Patienten behandelt. Wir entscheiden uns dagegen, haben wir schon genug von den Krankheitsbildern, die uns auf der Straße präsentiert werden. Alle 2 Meter kann man auf diversen Straßen sein Kleingeld loswerden. Die Menschen zeigen ohne Scharm ihre verfaulten Extremitäten, ihre Prothesen, ihre halb verhungerten Kinder, ihre durch Lepra verstümmelten Hände und Füße. Viele blinde Kinder und Frauen, die dennoch gezielt ihre Hände ausstrecken, Menschen die im Dreck auf den Mittelstreifen der Straßen liegen, sich aus Müll und Planen kleine Zelte auf den Gehwegen und an Mauern bauen. So viel Armut wie hier in der Hauptstadt, von einem Land, in dem man nahezu alle großen Entwicklungsorganisationen finden kann, so viel Armut habe ich noch nie in meinem Leben gesehen...

07.03.2010 EED

Am Abend sind wir bei Christine, die wir in Nekemte kennen gelernt haben, eingeladen. Zufällig ist ein anderer Hamburger zu Besuch, Andreas. Er ist durch Christine nach Äthiopien gekommen, er ist Weber und gibt für 2 Wochen Workshops. Erzählt, dass die Menschen seit 2000 Jahren ihren Webestil nicht geändert haben, er jetzt versucht, marktfähige Produkte mit den Menschen zu gestalten. Ein interessanter Abend, von dem ich wenig mitbekomme, da ich einen Anruf aus dem immer noch tief verschneiten Deutschland bekomme, wo sich die “Katastrophennachrichten” türmen. Es tut schon weh, so weit weg zu sein, niemanden in den Arm nehmen zu können, wenn ein Arm benötigt wird. Ein großes Defizit am Reisen, nur am Telefon zuhören zu können, für die, die mich jetzt brauchen könnten nicht erreichbar und greifbar zu sein.

08.03.2010 Immigration Klappe die Dritte

Nach einigen Stunden erneuter Wartezeit werden wir von den harten Holzbänken auf die abgewetzten Ledersessel im Büro gebeten. Von hier haben wir imnigen Stunden erneuter Wartezeit werden wir von den harten Holzbänken auf die abgewetzten Ledersessel im Büro gebeten. Von hier haben wir immerhin einen etwas interessanteren Ausblick auf die bürokratische Vorgehensweise der angeblich gut ausgestatteten Bürogebäude. Alles wird per Hand geschrieben, statt Kopierer gibt es Blaupapier. Dicke Bücher mit sämtlichen Notizen über verschiedene Persönlichkeiten werden hin und her gewälzt. Unsortierte Stapel von diversen Pässen werden von einer Hand in die nächste gegeben, jeweils wird ein neuer, handbeschriebener Zettel hinzu gefügt. Die Menschen draußen werden ungeduldig, sofern eine Person das Büro verlässt, eine Menschentraube versammelt sich sofort, drückt sich ins Büro um unsanft wieder hinaus geordert zu werden. Es gibt keinerlei System um die seit Stunden wartenden Menschen zu sortieren, zu besänftigen. Nach und nach und völlig willkürlich werden sie gebeten, morgen wieder zu kommen.

Dann endlich sind wir an der Reihe. Wir sollen ein Geständnis zu unserem illegalen Grenzübertritt abgeben, doch anstatt Fragen beantworten zu müssen sollen wir lediglich die Antworten auf einem in unserer Gegenwart angefertigtem Protokoll unterzeichnen. Das Protokoll ist in einer Schrift und Sprache verfasst, die wir nicht verstehen, wir bitten um eine Übersetzung, die wir wiederwillig bekommen. Niemand verrät uns, was auf uns zukommen wird, wir bekommen lediglich einen erneuten Termin. Morgen früh sollen wir vor Gericht erscheinen...

Am Nachmittag finden wir noch Zeit, erneut zum Allerthospital zu fahren, um ein Interview mit Ahmed Mohammet über die Leprahilfe zu machen. Er fragt uns nach unseren Beweggründen, diese Filme zu machen. Wir erklären ihm und zu unserem erstaunen sagt er mit leiser Stimme: “Ja, wenn ich die Entwicklungshilfe in meinem Land beobachte, so bricht es mir fast das Herz...” Er zeigt auf, wie wichtig es ist, den Staat in seine Pflicht zu nehmen. NGOs sollten seiner Meinung nach lediglich als “Lückenfüller” fungieren, die Lücken aber unbedingt versuchen durch Staatsmithilfe zu schließen. Lücken aufzeigen, Lösungsideen aufzeigen und dann die Aufgaben abgeben. Die Leprahilfe hat es geschafft, Leprabehandlungen sind mittlerweile kostenlos, der Staat hat diese Aufgabe angenommen. Auch ein sehr spannender, recht neuer Ansatz- um die von den Familien verstoßenden Leprakranken, deren Lebensaufgabe lediglich aufs Geld erbetteln beschränkt wird, von der Straße zu bekommen, vergibt die Leprahilfe jetzt Mikrokredite.

09.03.2010 Im Gericht

Um 10 Uhr sollen wir im Gericht sein, hier treffen wir einige Gesichter aus der Immigration wieder. Doch auch das Gericht mag spielen und schickt uns wieder weg- wir sollen am Nachmittag wiederkommen. Wir fragen nach, ob wir auch morgen früh kommen könnten. Kein Problem. Wir fühlen uns erneut auf der sicheren Seite, wird man doch so nicht mit Menschen umgehen, die man schnellst möglichst aus dem Land verbannen will...

Die Nachmittagspläne werden gestrichen. Wir sind total erschöpft und gönnen uns eine Auszeit.

10.03.2010 Illegal und angeklagt

Wir werden auf schäbige, zerbrochene Bänke vor den Gerichtssaal in den Schatten gesetzt. Kurze Zeit später werden junge Männer in Handschellen, bewacht von schwer bewaffneter Polizei herbei geführt. Wir werden aufgerufen, betreten einen kleinen Raum, die Richterin nickt uns mit versteinertet Miene zu. Jonathan muss seinen Namen nennen, seine Adresse, sein Geburtsdatum. Sie verließt die Anklage, wir bekommen einen Auszug in einer Schrift, die wir nicht lesen können. Jonathan räuspert sich, entschuldigt sich, unterbricht die Richterin. Denn sie verliest eine Anklage, die bei weitem nicht unser Vergehen schildert. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen anderen Jonathan handelt... Wir werden zu jeweils 1500 BiIRR (80 Euro) Strafe verdonnert, weiter nichts. Wir bezahlen, sollen unsere Pässe später bei der Immigration abholen. Ein junger Mann holt uns auf der Straße ein. Er ist aus Somalia, erzählt dass die meisten Menschen ohne Papiere kommen und zu Geldstrafen bis 54.000 BIRR verurteilt werden. Dies können die meisten bei weitem nicht aufbringen, so landen sie für Monate im Gefängnis. Er hat Glück, hat Papiere jedoch kein Visum, muss lediglich 3000 BIRR zahlen. Auf der Immigration vertröstet man uns auf morgen.

Wir machen uns schnell auf den Weg zum MCN- Hospital, in dem das englische Team 2 OP- Säle gemietet hat und wahnsinnig komplizierte Operationen der plastischen Chirurgie durchführt. Terry empfängt uns, muss die Ärzte um Erlaubniss fragen, ob wir während einer Operation filmen können. Sie kommt wieder und schüttelt den Kopf. Ein großes Team von BBC war die letzt Woche im OP und die Teams sind augenscheinlich sehr genervt von den Filmarbeiten. Ich bin ein wenig ärgerlich, haben wir uns schon vor Monaten per Email angemeldet, haben wir uns vor wenigen Tagen mit Chris und Terry getroffen und noch immer weiß das Team nicht, dass wir kommen. Müssen wir quer durch Addis fahren, uns durch den stockenden Verkehr kämpfen, durch die staubigen Straßen, um zu erfahren, dass wir keine Bilder machen dürfen?

Terry versucht es nochmals und wir bekommen eine Erlaubniss. Ich werde mit Kamera eingeschleust und gleich wieder abgeblockt, als ich den Saal betrete. “Who are you?” Ich versuche mich nicht lange zu erklären, verlasse den Saal und treffe zufällig auf Paulin, mit der ich 2005 bereits in Sokoto/Nigeria zusammen gearbeitet habe. Wir erkennen uns beide sofort wieder und sie organisiert, dass ich in die nächste OP rein kann. Leider steht lediglich eine OP- Schwester zur Instrumentenangabe am Tisch, kein einheimischer Arzt, der angelernt wird, Nomapatienten zu operieren. Für den nächsten Tag verabreden wir uns mit Chris für ein Interview.

Im Internetcafe eine neue Aufgabe- für unsern bereits gebuchten Rückflug am 17.4.2010 konnte die Kreditkarte nicht verifiziert werden, somit wurde der Flug storniert... Gut, dass wir noch in einer Stadt mit Internetverbindung sind...:-)

11.03.2010 Busy day

Wir haben bereits die in harten Arbeitsstunden angebrachte Innenverkleidung in der Fahrerkabine abgenommen, damit die Lady heute die Löcher auf dem Haupt verschlossen bekommt. Außerdem baut uns der italienische Freund von WIM, der bereits seit 10 Jahren in Äthiopien lebt, ein neuen, leichteren Kasten als Schutz für den Gastank, der die Ursache für die Löcher im dach darstellt.

Anschließend per Matatu wieder durch den anstrengenden Straßenlärm ins Krankenhaus für ein Interview mit Chris. Doch dieser lässt uns eiskalt abblitzen, sind wir 1 Stunde später als verabredet und er noch eine Menge anderer Dinge zu erledigen hat. Terry entschuldigt sich, hat sie uns gestern versichert, sie wären den gesamten Tag im Hospital und hätten viel Zeit für uns. Wir lassen uns nicht auf die Idee, ein zehn Minuten langes Statement aufzunehmen, ein und verlassen das Krankenhaus wieder. Dann suchen wir uns halt einen anderen Gesprächspartner...

Wir fahren per Matatu in die weit außerhalb liegende Rehabilitationsstation auf der anderen Seite der Stadt und treffen hier auf viele vom Team bereits operierten Patienten und auf Debbie. Debbie ist Ärztin und arbeitet ehrenamtlich für 6 Wochen für Facing Africa in Äthiopien. Bereitwillig führt sie uns durch die Station, zeigt uns Kinder, Wunden und Operationsnarben.

Sie gibt uns sehr spannende Antworten auf unsere Fragen. Warum macht Facing Africa keine Präventionsarbeit, wenn die Nomaerkrankung auf mangelnde Hygiene, Unterernährung und Masern zurück zuführen ist? “ Wir greifen ihre vorherige Antwort, dass es sehr leicht sei ehrenamtliches Personal zu finden, auf, fragen direkt ob es damit zu tun hat, dass alle gerne hier her kommen um neue Operationstechniken zu erproben. Wir bekommen die erschreckende Antwort von ihr. “ Ja, vielleicht...” Ob sie sich selbst im Klaren darüber ist, was sie damit aussagt???

Am Abend treffen wir Tobias. Er lebt seit 4 Jahren in Addis, ist als Entwicklungshelfer für Kleinkreditprojekte für eine NGO ins Land gekommen. Er hat nun mit 2 Freunden eine Firma gegründet um im eigenen Stil Mikrokredite zu vergeben. Er erläutert uns die großen Unterschiede zu seiner neuen Vorgehensweise.

Seine Firma (www. desertroseconsulting.com) hat bereits eine Rückzahlquote von 76 %, er meint andere Zahlen wären fast nicht möglich. NGOs würden mit 96% Rückzahlungen glänzen, aber nur weil viele der Klienten die Kredite nutzen, um andere Kredite rückzuzahlen. Außerdem beschränken sich viele NGOs auf Geschäftsvergrößerungen, fördern also selten neue Ideen und Anfänger. Seine Firma macht kurze Einstiegsseminare in die Betriebswirtschaft mit Menschen, die weder lesen noch schreiben können, fördert Geschäfte in den Flüchtlingslagern und Randgebieten. Doch wir müssen auch hier feststellen- so wirklich neue und kreative Ideen werden nicht geboren. Schuhputzer, Haarsalons, Metzger, Schneider, all die Tätigkeiten werden kopiert, weil sie bei anderen funktionieren und neue Konkurrenz wird für die geschaffen, die es vielleicht von allein geschafft haben, ein kleines Geschäft aufzubauen. Wir stellen Tobias die Frage, wie so viel Armut in diesem Land herrschen kann, in dem es doch augenscheinlich so viel Hilfe bekommt. Er meint, die Infrastruktur würde bei weitem fehlen, zum Beispiel Nahrungsmittel im Land zu verteilen. Bananen bleiben im Norden, Weizen im Osten, weil es keine Straßen und keine Transportnetze gibt. Gut, die Straßen werden jetzt von den Chinesen erschlossen, doch bleiben diese leer, weil die Regierung keine Maßnahmen ergreift. Außerdem kreidet auch er die nicht vorhandene Vernetzung der Hilfsorganisationen an. Jeder kocht seine eigene kleine Suppe und alle wundern sich über die hohen Geburts- und Tuberkuloseraten...

12.03.2010 Schon wieder ins Büro...

Auf dem Weg zur Immigration schwören wir uns, heute und jetzt diesen Weg zum letzten Mal zu beschreiten. Es soll anders kommen... Nach erneuter Wartezeit auf den Holzbänken zusammen mit überwiegend illegal eingereisten Menschen aus Somalia werden unsere Namen aufgerufen und wir bekommen eine Akte mit vielen handbeschriebenen Zetteln in die Hand gedrückt. Wir sollen diverse Kopien anfertigen lassen und dann am Nachmittag wieder kommen.

Am Nachmittag dann die Aufforderung: “Go to room 81.” Wieder warten. Ich werde ungeduldig. Wir haben noch andere Dinge zu tun, wollen Addis so bald wie möglich verlassen, haben genug von der Stadt. Im Raum 81 bekommen wir eine neue Frau zu Gesicht und einen kurzen Text zu den anderen, dann werden wir aufgefordert, den Raum 82 aufzusuchen. Auch hier eine kurze Notiz in unsere Akte, dann sollen wir uns in die Warteschlange für den Raum 77 einreihen. Hier werden Fotos von uns gemacht, ein kurzer Text im Computer (!) vermerkt und um 14.50 Uhr wird ein Stempel in unseren Pass gedrückt. Wir lächeln uns erleichtert an, meinen es endlich geschafft zu haben. Doch ein genauerer Blick lässt uns erschaudern. “Canceled” steht auf unserem Visum. Unser Visum wurde für ungültig erklärt. Go to room 71". Hier stehen wir vor einer jungen Frau, die 40 Dollar von uns verlangt. Wir brauchen ein neues Visum. Natürlich haben wir keinerlei Dollar mehr in der Geldbörse, müssen zur National Bank um Geld zu tauschen. Auch dies wird ein größerer Akt, denn um die Devisen im Land zu behalten hat die Regierung einen Geldumtausch verboten. Wir müssen in die Hinterräume, einen Zettel ausfüllen um eine Genehmigung zu bekommen. Nach 30 Minuten haben wir 40 Dollar in der Hand. Rennen zurück in das Büro der jungen Frau. Diese wirft uns das Geld wieder entgegen, will es nicht annehmen da eine der Noten vor 1995 gedruckt wurde... Wir können es nicht fassen. Versuchen zu diskutieren, zeigen ihr den Bankbeleg. Doch es nützt nichts. Wieder rennen wir den Weg zurück zur Bank, die bereits geschlossen ist. Ich kann nicht mehr. Meine Tränen laufen, ich weiß nicht mehr, wie ich mit diese Situation umgehen soll. Wieder im Büro versuchen wir ihren Vorgesetzten dazu zu ziehen, doch dieser lächelt nur müde, meint wir sollen zum Schwarzmarkt gehen, dort könnten wir ganz leicht an Dollar kommen. Er fügt noch hinzu, dass unser neu ausgestelltes Visum nur eine Aufenthaltsdauer von 10 Tagen beinhaltet, was für uns das Sahnehäupchen auf dem bereits kalten Kakao ist...

Es ist bereits 16.30 Uhr, wir verlassen das Gebäude mit unseren Pässen und einem für ungültig erklärtem Visum. Jetzt sind wir so richtig illegal....

Wir entscheiden uns ein Taxi zu nehmen und uns zu der Kafferösterei fahren zu lassen. Eine gute Entscheidung, denn der Geruch nach frisch gerösteten Kaffebohnen vertreibt schnell unsere Sorgen. Der Kaffee wird im Gegensatz zu vielen anderen nicht nur in Äthiopien angebaut und geerntet sondern auch geröstet, gemahlen und verpackt. So wird viel Gewicht beim Export nach Deutschland gespart und es bleiben Arbeitsplätze in Äthiopien erhalten. Von Fairtrade hat der Besitzer noch nie etwas gehört, meint aber, seit die Regierung den regulierenden Zwischenmarkt eingeführt hat, geht es den Kleinbauern gut. Auf dem Weg nach Kenia werden wir (wenn unser Visum dies zulässt) noch eine Kaffeplantage besuchen.

13/14.03.2010 auch Illegale haben Wochenende...

Wochenende, endlich mal zwei Tage ohne Behördengänge... Auf dem Campingplatz ist jetzt ein wenig Ruhe eingekehrt, lediglich die Engländer auf dem Motorrad und die beiden Fahrradfahrer sind noch da, alle anderen sind bereits weiter gezogen. Jonathan backt einen fantastischen Schokoladenkuchen für den Nachmittag, wir waschen Wäsche, “entsanden” die Lady, schrauben die Innenverkleidung wieder an.

Die Campingplätze uns die kleine “Travelercommunity” geben immer wieder viel Kraft. Wir unterstützen uns gegenseitig, der eine braucht eine Karte für Kenia, der andere Dollar, wieder ein anderer Kartoffeln...

15.03.2010 Legalisation...

Wir können glänzend neue Dollarscheine bei unseren englischen Motorradfreunden ergattern und machen uns frohen Mutes auf den Weg zur Immigration. Freundlich nimmt die junge Frau nun unser Geld entgegen und stimmt sogar zu, so dass wir bereits am Nachmittag unsere Pässe abholen können. Jetzt liegt es dadran, einen fast noch wichtigereren Stempel zu organisieren- den für unsere Lady. Denn die ist laut unser Dokumente ebenfalls noch nicht aus dem Sudan ausgeführt, auch dies könnte an der Grenze ein etwas größeres Problem mit sich bringen. Laut der Botschaft müssen wir ins Ministry of Transport, doch die schicken uns sofort weiter zur Road Authority. Fündig geworden werden wir durch mehrere Büros geschleust, bis uns ein freundlicher Mensch fast einen Stempel ins Carnet gedrückt hätte. Doch er erkennt gerade rechtzeitig, dass er gar nicht die autorisierte Person für diese Aufgabe ist und schickt uns zum Zoll. Auch hier durchlaufen wir mehrere Büros, erklären einige Male ausführlich unser Anliegen, werden in ein anderes Zollgebäude geschickt. Hier begegnen wir auf Anhieb dem richtigen Mann, er begrüßt uns mit den Worten “ oh, you have a carnet, how can i help you?” Wir antworten prompt: “Wow, you know what a carnet is? You are the first one, who knows this document...”

Er hört sich unsere Geschichte an und versichert uns, dass er uns helfen wird. Er kann uns zwar keinen Stempel geben, aber einen Brief, mit dem wir an der Grenze keine Schwierigkeiten haben werden. Allerdings braucht er natürlich unsere Reisepässe, so müssen wir morgen wieder kommen.

Glücklich, nach einem guten Kaffee im Straßenrestaurant, machen wir uns zum wirklich letzten Mal auf den Weg in das Gebäude der Immigration. Wir staunen nicht schlecht, unsere Pässe beinhalten nun ein Visum mit Lichtbild. Wir haben Glück und die zehn Tage werden ab heute gezählt, so dass wir auf dem Weg gen Kenia noch weitere, geplante Projekte besuchen können.

16.03.2010 Abfahrt

Wir sind früh auf den Beinen und erhalten den versprochenen Brief ohne jeglicher, finanzieller Gegenleistung. Wir hätten mit allem gerechnet nur damit nicht... Im Internetcafe versuchen wir unseren neuen Film aus der Türkei hochzuladen, doch leider ohne Erfolg, die Verbindung ist einfach viel zu langsam. Kein Wunder, dass wir eine Ausnahme von den Travelern sind, die ihre Internetseite selber pflegen. Schnelles essen, packen, einkaufen, Wasser und Benzintank befüllen und am Nachmittag verlassen wir Addis Ababa. Eine Stadt, der ich, wenn nicht unbedingt von Nöten, keinen zweiten Besuch abstatten muss. Einen so starken Zwiespalt von Arm und Reich, Ignoranz und Intoleranz habe ich bislang selten erlebt.

Auf dem Weg nach Shashamene sammeln wir Oleg ein. Ein Russe, der mit seiner Freundin von Ägypten bis Kenia trampen wollte, ihm nun aber der Reisepass gestohlen wurde. Maria ist nach Kenia geflogen, um dort ihre Mutter zu treffen, er bleibt noch ein paar Tage in Äthiopien, bis er neu ausgestellte Zettel bekommt, fliegt dann zurück nach Moskau. Wir verbringen die Nacht zusammen auf einen abgeernteten Feld.

17.03.2010 Lepra in Shashamene

Ahmed Mohammed aus Addis hat uns einen guten Kontakt in einem kleinen Vorort von Shashamene besorgt, der uns seit gestern bereits erwartet. Wir können mit den Mitgliedern der CBO über das von der Lepramission implementierte Mikrokreditprojekt sprechen, erfahren dass es nun einem Teil der Community erheblich besser geht. Wir besuchen Klienten des Projektes und müssen leider auch hier feststellen, dass das Projekt fernab von neuen Businessideen liegt. Alte Dinge werden kopiert, weil sie bei anderen funktionieren. Auch werden nicht die Ärmsten erwählt, die eine Chance bekommen vom Bettler zum Kuhhirten aufzusteigen, sondern nur Menschen, die bereits ein Standbein haben, nur “Umsatteln “ wollen. Auch wird unsere schlimmste Befürchtung bestätigt- das Projekt der Mikrofinanzierung fördert Kinderarbeit. Wir haben uns diese Beobachtung schon hinter vorgehaltener Hand im Sudan zugeflüstert und bekommen in Äthiopien eine erneute Bestätigung für unsere Beobachtung. Die Mutter eröffnet ein neues Geschäft, kauft durch den Mikrokredit die Ausstattung, um das Nationalgericht Injera zu backen. Um den Kredit abzahlen zu können, muss sie viel Zeit damit verbringen, Injera zu backen. Hierfür benötigt sie allerdings Feuerholz und Wasser, welches die beiden Kinder zu beschaffen haben. Ein an Lepra erkrankter Vater kauft sich von dem Mikrokredit 2 Kühe, füttert sie fett uns verkauft sie zu einem bessern Preis weiter. Der Vater hat durch seine Erkrankung ein Bein verloren, nutzt Gehstöcke zur Hilfe. Wir fragen, ob er in der Lage ist, durch seine körperliche Behinderung mit den Kühen in die Ferne zu gehen, um gute Nahrung und Wasser zu finden. Er verneint dies und gibt zur Antwort, dass er hier Hilfe von seinem beiden (schulpflichtigen) Kindern bekommt.

Wir bekommen noch einen Einblick in das staatliche Krankenhaus, in dem die Leprahilfe einen orthopädischen Workshop und eine Krankenstation eingerichtet hat. Beides wurde bereits fast komplett in die Hände des Staates übergeben. Der Direktor teilt uns mit, dass es keinerlei Problem ergeben wird, wenn die Leprahilfe mit finanzieller Hilfe ganz aussteigt, das Loch könne problemlos gefüllt werden. Dennoch sind “Entwicklungshilfegelder” für ihn eine unabdingbare Sache und auch dieses Projekt kann nicht auf die Gelder verzichten...(???)

Per Zufall treffen wir den Kaffeeröster aus Addis in Shashamene, wir verabreden uns für morgen in Awasa. Hier kauft er bei ECX seine ungerösteten Kaffeebohnen.

Der im Reiseführer beschriebene Traumcampingplatz existiert leider nicht mehr, wir finden eine Kirche, bei der wir nach langer Diskussion für 1,50 Euro bis morgen früh um 7 Uhr bleiben können. In der Nacht ein heftiger Regenguss, die Regenzeit zeigt mit Blitz und Donner ihre schönsten Seiten. Am Tag genießen wir Temperaturen bis 28 Grad, bewölkt und Sonnenschein. In der Nacht kühl es bis auf 15 Grad ab und es gibt meist einen langen, heftigen Regenschauer.

18.03.2010 der Deal mit den Kaffeebohnen

Wir finden einen tollen Ort direkt am See um unseren “Gute-Laue- Kaffee” zu genießen. Sitzen auf einer Bank und erfahren, wie das tägliche Leben in Awasa startet. Beobachten die Kinder, die ihre Wasserkanister im See befüllen, die Kinder die mit zusammen gebundenen Ästen die Sandstraße am See entlang eifrig von den Blättern und Steinen befreien. Die Männer, die nach dem Aufstehen nichts anderes zu tun haben, als sich auf die Bank zusetzten und den Kindern zuzuschauen, ihnen Verbesserungsvorschläge zuwerfen, die Straßenhunde mit Steinen vertreiben. Junge Männer, die ungeschickt versuchen, ihre Wäsche im Seewasser zu waschen, danach ihr Haupt und Haar mit Seife einschäumen. Der See beherbergt eine unglaubliche Anzahl an vielfarbigen, bunten Vögeln, ja sogar Hippos sind hier zu finden. Wir treffen uns mit Tewadros, dem Kaffeemann. Fahren gemeinsam zu der Kaffeeumschlagsstation von ECX. Viele LKWs aus der gesamten Region warten darauf, ein Label zu bekommen, um ihren Kaffee weiter zu den Röstern transportieren zu können. Leider dürfen wir hier nicht filmen.

ECX ist eine Initiative vom äthiopischen Staat, um die Kleinbauern zu schützen. Die Bauern schließen sich zu einer Kooperation zusammen, die wiederum Mitglied bei ECX ist. ECX kauft den Kaffee bei der Kooperation und verkauft den Kaffee weiter an Großkonzerne und Röster. Die Bauern werden dadurch seit 3 Jahren fairer bezahlt. Wir fragen, ob es dennoch “Fairtradekaffee” aus Äthiopien gibt, diese Frage kann uns hier niemand beantworten. Der Kaffee sei zu 99 % organic, die Bauern nutzen keine Pestizide. Leider hat unser Kaffeeröster ein wenig das Interesse verloren, uns den “Kaffeweg” zu zeigen, schade denn es wäre auch für ihn bestimmt ein guter Gewinn, da er demnächst seinen Kaffee nach Deutschland verkaufen möchte...

Wir verbringen den Nachmittag am See, warten vergeblich auf einen erneuten Anruf von Tewadros. Gehen an der wirklich schön gestaltenten Promenade spazieren und trauen unseren Augen kaum- von weitem erkennen wir einen großen, weißen Truck... Neben Bodo und Bine treffen wir auf Achim und Andrea (www.paulchen-on-tour.de), die seit 2 Jahren durch Afrika fahren und nun auf dem Rückweg sind. Ein wunderschöner, verwilderter Campingplatz direkt am Wasser, ein wenig anstrengend da die Affenbanden auf die Naivität der Touristen lauern. Wir holen die Lady und sind keine 2 Stunden später bereits um ein halbes Kilo Kartoffeln, Wurzeln und Bananen ärmer....

19.03.2010

Wir versuchen die im Reiseführer beschriebene und in der Karte eingezeichnete heiße Quelle zu finden, ohne Erfolg. Dennoch lohnt sich die Tour, fahren wir durch eine unglaublich schöne Landschaft, über eine Schotterpiste durch immer neue Dörfer, so viele Menschen, überall... Menschen die uns freundlich grüßen, Kinder, die nur die Worte “you” und “money” hinter uns her kreischen, einfach überall.... Den Nachmittag verbringe wir entspannt mit Buch, back home in der Travelercommunity....

Jonathan hat seit einigen Tagen Bauchbeschwerden, ist seit heute zu seinem Leidwesen auf Flagyl und Schonkost gesetzt. Zu seinem Leidwesen, da die anderen Pizza essen gehen...;-)

20.03.2010

Bodo und Bine, Achim und Andrea verlassen uns heute, wir bleiben noch einen Tag.

21.03.2010 Awasa- kurz vor Yabello

Unser Morgen wird früh durch die Engländer Bo und Caroline gestört. Bos Großmutter ist verstorben und die beiden planen zur Beerdigung am Samstag nach Westcanada zu fliegen. Wissen aber noch nicht, wie und wo sie die Moorräder unterstellen, wie sie an einen Flug unter 2000 Dollar kommen und wie sie innerhalb des nächsten Tages zurück nach Addis Ababa gelangen sollen... Eine nicht gerade einfache Situation, die wir in den nächsten zwei Tagen hautnah miterleben.

Wir machen uns auf den Weg nach Yabelo, hier haben Wolfgang und Sybille zwei Tage lang auf Benzin ausharren müssen, um weiter nach Kenia fahren zu können. Wir wollen uns morgen mit Bodo und Bine auf der Tankstelle treffen um unser Glück zu versuchen und dann gemeinsam die in der “Travelercommunity” gefürchtete Moyalestrecke zu bestreiten.

Die Landschaft gen Süden ist wieder beeindruckend, bergig, grün und fruchtbar, die Erde scheint jeden Kilometer einen anderen Farbton anzunehmen. Bananen, Papaya, Mangos, und doch finden wir in diesem Gebiet die USaid mit Nahrungshilfe in Form von Weizensäcken.

22.03.2010 Yabello

Die Nacht ist kurz da im Morgengrauen die ersten Kinderscharen Interesse an der Lady finden und lautstark “give me your book, money, pen, give me something” fordern. In Yabello haben wir Glück und bekommen an der offiziellen Zapfsäule die gewünschten Liter Benzin, treffen Bodo und Bine und am Abend treffen die drei Engländer auf ihren Motorrädern ein. Bo und Caroline haben sich leider noch immer nicht entschieden, ob es zurück nach Canada gehen soll oder nicht, die Entscheidung fällt erst nach einer langen Nacht am frühen Morgen.

23.03.2010 Yabello- Moyale

Wir schwingen uns mit geteilter Vorfreude auf die Straße gen Grenze, treffen uns nach einer mäßig abwechslungsreichen und gut geteerten Straße in Moyale wieder. Wir werden morgen mit 3 Motorrädern, einem großen Mercedestruck und einem dagegen zarten Volvo Äthiopien verlassen und nach Kenia einreisen. Jonathan und ich hatten vor, die Strecke über den Lake Turkana zu fahren. Doch nach der Grenzerfahrung Sudan- Äthiopien ist unser Bedarf an afrikanischen Bürogebäuden vorerst gedeckt. Laut der Botschaft gibt es keine Immigration auf der kenianischen Seite, lediglich auf der äthiopischen. Viele fahren dennoch diese Strecke, müssen sich innerhalb von 3 Tagen in Nairobi melden um offiziell einzureisen- und ob dies immer so einfach ist wie gedacht und gehört wagen wir gerade zu bezweifeln. Auch ist die Strecke dafür zu schade und die Straße in der bereits begonnenen Regenzeit zu schlecht. Wir beschließen uns diesen Landesteil für unsere Rückkehr aufzuheben, schließlich wird die Lady in Kenia bleiben und wir irgendwann zurück kommen- und dafür braucht man schon jetzt Ziele...