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Deutschland

Wir fahren los. 14000 km Strecke liegen vor uns. Losfahren. Loslassen. Ein Ding der Unmöglichkeit wenn es nach anderen geht. Aber wir können. Wir können, weil wir wollen, weil wir stark sind, an uns glauben, weil wir zu zweit sind und uns gegenseitig immer wieder hochziehen können. Durchhänger, Zweifel, davon gab es die letzten Wochen, Monate genug. Aber für mich gab es bislang nur einmal den Punkt, an dem ich nicht mehr wollte, die Flinte fast ins Korn geschmissen hätte.... Rückblick: Im August haben wir angefangen, Stiftungen um Geld anzufragen, wir sind ein Verein, wollen die deutsche Entwicklungshilfe, für die die gleichen Stiftungen Unmengen an Geld übrig haben, kritisch auf Nachhaltigkeit hinterfragen. Für uns selber schauen: Was ist sinnvolle und fruchtbare Hilfe, was wollen die Menschen vor Ort? Kurz vor Abfahrt im Oktober bekommen wir die letzte Absage zur finanziellen Unterstützung. Das heißt, diese gesamte Reise wird durch unser Gespartes, durch Vitamin B und Privatspender finanziert. Ebenfalls im August hat unser Reisemobil gesagt- so nicht Freunde, ich will vorerst mal nen überholten Motor. Der wurde dann in Stefans nagelneuer, noch nicht eingeweihten Halle raus genommen. Und unsere Lady sollte 5 Wochen ohne Herz überleben- eine Zeit, die unseren eigenen Herzen verdammt viel Leistung abgefordert hat. Hypertonie wäre untertrieben wenn ich mich an die Telefonate mit der Motorenwerkstatt Reimers erinnere. Mittlerweile hatten wir unseren Abfahrtstermin vom 1.10. auf den 15.10. verschoben, da unser Motor noch immer nicht an der Reihe war. Als dann am 09.10. die Entscheidung von Reimers mitgeteilt wurde- wir können den Motor hier nicht machen, da eine Spezialbohrung von Nöten ist- ist uns doch der Kragen geplatzt. Innerhalb von 2 Tagen hat dann die Firma Kindt in Lübeck den Motor- ohne Spezialbohrung- wieder fit gemacht, die Kupplung noch mal schnell in Barsbüttel neu beschlagen lassen und am Freitagabend hatten wir den Motor wieder... Mann, ich hab mich noch nie so ausgeliefert gefühlt. Krankenversicherung und Arbeit gekündigt, Studium auf Eis gelegt, Wohnraum untervermietet und irgendwelche “Motorschraube” meinen, ihr Arbeitstag fängt erst um 8 Uhr und nicht schon um 7.30 Uhr an.......

Abfahrt? Vorerst der Versuch, nachdem nun auch die Zündung richtig eingestellt werden konnte, die Familie Harms in Ahrensburg zu verlassen und Richtung Lüneburg zu fahren. Nach 1,5 km gescheitert. Weiße Rauchwolken steigen aus dem Kühler auf. Ich könnte schreien, ich will nicht mehr, hab keine Kraft mehr für dieses Auto, wie soll das funktionieren- bis nach Kenia???!!! Ratlos und geknickt stehen wir am Straßenrand und entscheiden, wieder zum Harms zu fahren und noch eine Nacht auf dem Sofa zu verbringen. Am Morgen füllen wir 7 Liter Wasser nach und die Lady schnurrt bis Lüneburg... Es ist bereits Montag, es gibt noch ne Menge zu tun, aber wir halten am Abfahrtstag, der am Donnerstag sein soll, fest. Ich glaube, nicht nur wir selbst halten uns für verrückt, gehen völlig auf dem Zahnfleisch, die Psyche scheint völlig ausgeschaltet zu sein, sonst hätten wir diese Tage nicht überstanden. Ab und an huscht ein Lächeln über unsere Gesichter- wir haben ein Ziel vor Augen- Kenia... Am Mittwoch noch mal eben die Sandbleche an die Seite geschraubt, die Ersatzreifen aufs Dach gewuchtet und die noch nicht getrockneten Unterhosen verstaut und dann warten die Freunde am Lagerfeuer, die Anspannung löst sich so langsam, denn wir merken- wir scheinen es tatsächlich zu schaffen und sind nicht an all den Hindernissen und Hürden gescheitert und stehen geblieben.

15.10. Lüneburg- Braunschweig

Um 6.00 klingelt der Wecker- dreimal, dann stehen wir auf. “Fährst du mit mir nach Afrika?” “Warum nicht?...” In der Dunkelheit die letzten Utensilien verstaut, alles was wir nicht bedacht und nicht geschafft haben müssen wir auf dem Weg erledigen. Wir müssen jetzt los. Ein sportliches Ziel liegt vor uns- Prag. Anja ist dabei, als wir auf der Tankstelle merken- die Batterien sind leer, das Auto startet nicht mehr. 30 km hinter Lüneburg? Kann das sein?? Erste Vermutung- die nagelneue Lichtmaschine funktioniert nicht. Wir bauen die Batterien, die für den Bordstrom gedacht sind um als Starterbatterien, und Jonathan merkt nach der Aktion- vielleicht sass der Ring einfach nicht fest genug. Wir fahren weiter, verabschieden uns in Braunschweig von Anja und kehren bei Frank ein, um den Vergaser und die Ventile einstellen zu lassen. Außerdem brauchen wir einen neuen Schlauch fürs Kühlwasser, der alte hat einen Riss und leckt seit wir in Braunschweig sind. Nervös schleichen wir um die Schrauber, die 5 Autos gleichzeitig reparieren, da der TÜV heute kommt. Wir wollen heute nach Prag.... Um 15 Uhr ist noch nicht viel bei uns passiert, wir sind total genervt von den Menschen und den klugen Ratschlägen was man denn auf so einer Reise braucht und denken uns- gut, heute also nicht ganz bis Prag, fangen wir also an, die nicht geschafften Reste an unserem Auto zu erledigen. Bettwäsche hängen wir zum trocknen in die schöne Herbstsonne, Werkzeug raus und wir montieren die vordere Kadernwelle, danach die Vorderräder ab um die beiden schon geschmierten Blattfedern einzubauen. Der Auspuff ist auch noch nicht ganz dicht, also auch den noch mal ab und neue Dichtung rein. Dies soll unsere Reise um einige Stunden verzögern, denn als dann gegen 19 Uhr endlich unser Vergaser eingestellt werden soll, wird festgestellt- die Lichtmaschine ist durch einen Kurzschluss, der von uns als “Funken wegen Restspannung” klein geredet wurde, zerstört worden. Okay, wir können die Nacht bei Frank auf dem Sofa schlafen. Noch mal eine heiße Dusche nehmen, die Wunder wirkt.

16.10. Immer noch Braunschweig

Aber heute wollen wir es bis Prag schaffen. Um 7 Uhr geht es in die Werkstatt, wir fragen gleich nach, wann unser Auto denn an der Reihe ist. Um 8.30 Uhr bekommen wir als Antwort: Die Hoffnung ist, dass nur der Regler der Lichtmaschine durch ist, ein neuer wird bestellt und ist gegen 13 Uhr da. Doch- der war es nicht....wenn schon, denn schon...

Ich bin total fertig, die Tränen laufen, das Gefühl doch noch zu scheitern ist so groß. Die Machtlosigkeit, die Reise gerade nicht selbst in den Händen zu halten sondern in die Hände der Schrauber geben zu müssen, die überhaupt nicht verstehen warum wir leichenblass mit roten Augen neben ihnen stehen, warum für uns gerade jede Stunde zählt... Zeit, nochmal alle Organisationen die sich noch nicht gemeldet haben anzuschreiben, Türkei, Jordanien, Äthiopien, all diese Länder scheinen gerade wahnsinnig weit weg zu sein... Zeit, die nicht vergeht, die zäh ist wie das Öl im neuen Motor...

Um 18 Uhr beschließen wir, auch heute nicht bis Prag zu fahren, sondern zu Anja auf den Wagenplatz, Feuer machen, Nudeln kochen, Rotwein- um von den letzten 2 Tagen ein wenig runter zu kommen.