Kenia

24.03.2010- 26.03.2010 Moyale- Marsabit

Die Ausreise sowie die Einreise über unsere vorerst letzte Grenze verläuft ohne Probleme. Karibu Kenia! Die Grenzbeamten sind so nett und freundlich wie an keiner Grenze zuvor, reden, lachen, geben uns Tipps, wo die Landschaft die schönste ist. Bodo und Bine sollen auf Grund ihrer Autogröße eine Straßengebühr von 175,00 Dollar zahlen, die Motorradfahrer drücken jeweils 50,00 Dollar ab. Wir bekommen einen Zettel, auf den “Free” steht, eine freundliche Geste des Beamten, der uns zuvor seine Lebensgeschichte erzählt hat.

Und dann gehts los. Caroline hat panische Angst vor den nächsten 500 Kilometern, hat zuvor unterschiedlichste Geschichten von gebrochenen Motorradrahmen zuhören bekommen. Wir verstauen das gesamte Gepäck der völlig überladenen Bikes in den beiden Trucks und bestreiten die ersten 60 Kilometer Wellblechpiste.

Bis Marsabit ist die Strecke unübertrieben schlecht- tief ausgefahrene Spuren, Schlaglöcher und Wellblech, wir fahren nicht mehr als 20 Kilometer die Stunde. Die Motorradfahrer haben zu kämpfen, Bodo übernimmt Carolines Bike, die völlig erschöpft von Steinen und Wellblech ist. Ihr ganzer Körper schmerzt, die Füße sind taub, zweimal fällt sie vom Bike. Auch Bo und Ken müssen die Zähne zusammen beißen, brauchen viele Pausen, die auf Grund der enormen Hitze keine große Erholung bieten. Die wenigen Menschen, die mit großen Tierherden durchs dichte Grün ziehen grüßen freundlich, auf der gesamten Strecke finden wir keinen Ackerbau- die hier lebenden Samburus sind Nomaden.

Während einer staubigen Passage bremst Jonathan plötzlich. Auf der rechten Fahrspur liegt, leicht zu übersehen, ein tot wirkender Körper. Die Arme und Beine von sich gestreckt, den Kopf halb in einer Wasserlache. Eine Leiche? schiesst es uns durch den Kopf. Ein Betrunkener, der sich verirrt hat und hier zusammengebrochen ist, ein Autounfall, wo der vermeintliche Lastwagenfahrer Fahrerflucht begangen hat, oder einfach ein Passagier von einem solchen Truck, der sich nicht hat festhalten können? Wir wissen es nicht, aber die eine Hand zittert, schlägt in das brachige Wasser der Pfütze. Man kann viel über Entwicklungshilfe usw. schreiben, denken und halten, aber hier geht es um ein Individuum und dieser Mensch hier, direkt vor unseren Geländereifen, ist definitiv gerade am Verrecken. Wir steigen aus und Bode und Bine halten hinter uns. Der Mann brabbelt etwas, wir verstehen es nicht, aber er sieht abgezehrt aus. Er hat nichts dabei ausser die Lumpen an seinem Körper und die halten auch nicht mehr lang. Als erste Maßnahme zieht Bode ihn von der Straße, nachdem wir uns vergewissert haben, dass nichts gebrochen ist. Der nächste Truck hätte den staubigen Körper mit Sicherheit übersehen...

Doch was nun? Wir geben ihm etwas zu trinken. Anfangs reagiert der Mann gar nicht, dann reckt sich sein Kopf danach, reißt er seinen Mund auf. Trinkt. Und trinkt. Schnell sind, 1,5 Liter Wasser weg. Er fängt an mit den Augen hin und her zu gucken. Ein wenig, sehr wenig, Farbe kehrt zurück. Bodo setzt ihn auf, so dass der Mann nicht mehr liegt. Die zweite Flasche Wasser wird gestiftet und verschwindet komplett im Inneren des Mannes. Doch nun? Wer auch immer er ist, er ist erstmal aus der Lebensgefahr. Ob wir ihn irgendwo hin mitnehmen sollen? Aber wohin? Und wäre das sinnvoll. Schwierig. Bodo grummelt:"Wo ist die UN, wenn man sie braucht?". Und als ob diese die Worte gehört hätte, sehen wir von weitem einen weißen Landcruiser die Piste entlang brettern. Wir winken den Wagen an stehenzubleiben. Er ist vollbesetzt, einige der Mitfahrer sehen wenig begeistrert aus. Ob sie wohl angehalten hätten, wenn wir nicht dagewesen wären? Egal, wir sind da, sie bleiben stehen, einer versucht sich mit dem Mann zu unterhalten. Versucht es auf verschiedene Sprachen, die hier gesprochen werden. Ohne Ergebnis. Eine Frau meint, wahrscheinlich wäre er ein äthiopischer Flüchtling, der zurück gewiesen wurde. Gut möglich. Der UN-Fahrer entschließt sich dazu, den vermeintlichen Äthiopier einzupacken und zum nächsten Dorf zu fahrern. Wir sind erleichtert, dass uns damit die Verantwortung abgenommen wird...

Ich habe mir den Norden viel trockener vorgestellt, in Isiolo erfahren wir, dass nach 2 Jahren Wartezeit auf Regen der Regen jetzt nicht mehr aufhören mag. Seit Oktober regnet es immer wieder durchgehend, so grün wie das Land derzeit ist, war es seit Jahren nicht mehr.

27.03.2010- 28.03.2010 Marsabit- Isiolo

Jonathan und ich haben zum Glück neue Kraftreserven in Awasa tanken können, aber diese schwinden viel schneller als man denkt. Die Kilometer ziehen sich wie Gummi, die Sonne brennt erbarmungslos, die Straße wird keinen Dolch besser. In Marsabit gab es mal wieder eine kalte Dusche auf einem Campingplatz, von denen es zu unserem Erstaunen zahlreiche gibt. Hier lernen wir am Abend ein deutsches Ehepaar kennen, welches vor 15 Jahren in Marsabit in einem NGO-Bildungsprojekt gearbeitet hat. Der derzeitige Besuch ist der erste nach 15 Jahren. Viel hat sich nicht geändert, es bestehen sogar noch 2 Shops von damals. Die Menschen warten auf die bereits versprochene Straße, die gebaut werden soll, dann wird das Leben in Moyale ein anderes, ein bessereres werden. Wir fragen, ob das damals aufgebaute Projekt noch besteht. Nein, natürlich nicht. Aber ein paar wenige, damals beteiligte Menschen sind noch hier, die meisten haben es geschafft, einen Job in Äthiopien oder Uganda zu bekommen. Und die, die noch hier sind, tragen die damalige Zeit noch im Herzen, immerhin etwas. Schon erstaunlich, einen positiven Effekt in einem Bildungsprojekt daran zu messen, wie viele nun gebildete Kenianer es schaffen, ins Ausland abzuwandern...

Knappe 80 Kilometer vor Isiolo dann die “erlösende”, nagelneue Asphaltstraße. Alle sind erschöpft, aber am glücklichsten sind nun die Motorradfahrer, die ohne zu klagen den nächsten heftigen Regenguss durchfahren. 5 Tage haben wir für 550 Kilometer gebraucht, der Lady hat es einen Stoßdämpfer zerrissen und einige Nieten im Dach sind los gerüttelt, so dass wir in der Nacht nach kaltem Bier und warmer Dusche nasse Füße bekommen, da es rein regnet. Silikon und Gaffa- Tape tun ihr nötigstes...

29.03.2010 Isiolo

Peter und Rita, die holländischen Besitzer der Ökotourismusanlage (www.gadissa.com) sind total begeistert, als sie erfahren, dass wir eine Kamera im Gepäck haben. Sie benötigen einen kleinen Film über ihr Behindertenprojekt für ihre Sponsoren und nehmen dankbar unser Angebot an, am heutigen Tage die Arbeit zu filmen. Wir begleiten Peter im Auto um die körperlich und geistig behinderten Kinder abzuholen, damit Rita, Physiotherapeutin, in den, mit aus Deutschland geschickten Materialien, gut ausgestatteten Räumlichkeiten, mit den Kindern arbeiten kann. Uns gefällt das Projekt und die Einstellung der Beiden. Sie scheinen sehr erfahren, auch sie bemängeln, dass ein gegenseitiger Austausch zwischen den NGOs kaum statt finden, niemand aus Fehlern von anderen lernen mag bzw. niemand seine Fehler preis geben mag. Sie versuchen mögliche Hilfen vom Staat an zu nehmen, haben es geschafft ein Stück Land von der Regierung gesponsert zu bekommen und auch personelle Hilfe zu ergattern. Doch sie sind sich einig, werden das volle Management nie in die Hände Einheimischer geben. Klingt für uns vorerst komisch, doch die Begründung ist einleuchtend: Einheimische kommen um Korruptionsgelder nicht herum, sie werden immer irgendwann zahlen müssen, um an ihr Ziel zu gelangen. Rita und Peter haben bislang mit viel Zeit und Gesprächsbereitschaft geschafft, diese Gelder zu sparen und an die richtige Stelle zu transportieren. Außerdem müssen Einheimische der Kultur nach Jobs nicht nach Qualifikation sondern nach Familienzugehörigkeit vergeben. Das bedeutet, wenn ein Kenianer das Management übernimmt würde seine Cousine vielleicht anstelle einer qualifizierten Physiotherapeutin sitzen, nur weil die Cousine gerade einen Job braucht und er sich dazu verpflichtet fühlt, ihr zu helfen.

Den restlichen Tag plagen wir uns mit schlechtem Internet und Telefonverbindungen. Unser Rückflug, den wir schon in Addis gebucht haben, wurde nicht bestätigt. Der nächst günstigste Flug über die Turkish Airline geht nicht als elektronisches Ticket zu buchen und zahlen, wir sollen innerhalb der nächsten 2 Tage nach Nairobi kommen und das Ticket abholen... Nicht einfach, derartige Dinge von hier aus zu organisieren, aber immerhin irgendwie machbar....

30.03.2010 Isiolo- Nyanhururu

Wir haben Glück und konnten noch einen Flug über die Äthiopien Airline per Internet buchen und auch bezahlen, so dass wir nun nicht erst nach Nairobi fahren müssen.

Der Vormittag vergeht wie im Fluge, Reifen aufpumpen, Wasserkanister befüllen, Telefonnummern für die nächsten Projekte im Chaos finden...

Am Nachmittag verlassen wir Isiolo mit einem heftigen Regenfall, die Straßen verwandeln sich im Nu zu einem Flussbett. Wir steuern Nyahururu an, wollen hier einen Abstecher zu den Thomsens Falls machen. Bodo und Bine haben ihre Routenplanung geändert, wollen uns bis hier noch begleiten und anschließend über Nakuru nach Nairobi fahren. Wir trennen uns in Nyrie und die Lady nimmt nicht die gut ausgebaute Asphaltstraße sondern die gelbe Querfeldeinstrecke. Die Besitzer vom Camp in Isiolo fallen vom Glauben ab, als die Engländer erzählen, dass wir diese Strecke fahren. Sie meinen, dass die Straße durch den anhaltenden Regen unbefahrbar wäre. Nicht für die Lady...

Eine Sandpiste vorbei am Nationalpark, matschig und aufgeweicht aber landschaftlich einmalig schön. Wir sehen die ersten Zebras und Gazellen auf unserer Reise, der Mount Kenia zeigt sich nach dem Wolkenbruch noch mal in seiner vollen Schönheit im Hintergrund. Wir liegen uns in den Armen und sind unendlich glücklich und stolz. Kenia, wir haben unser Zielland erreicht... Der Körper ist mit einem Mal wieder energiegeladen, hat Kraft ohne Ende, die Psyche alle Anstrengungen der letzten Monate vergessen, der Kopf frei. Die Straße ist schlecht und wir sind glücklich, mal wieder das richtige Auto dabei zu haben. Einige LKWs bleiben auf der Strecke, durch die sich die Lady ohne Allrad windet. In dieser Gegend gibt es viele Elefantenherden, die Dörfer werden durch Elektrozäune geschützt.

Wir stellen uns für die Nacht in die Wildniss. Ein Auto hält in der Dunkelheit, Männer kommen auf uns zu. Wir sprechen mit ihnen durch das kleine Schiebefenster, sie bitten uns in ein nahe gelegenes Dorf zu fahren, hier ist es viel zu gefährlich auf Grund von wilden Elefanten und Männern mit Schusswaffen. Wir beschließen trotzdem die Nacht hier zu verbringen, die Straßen sind zu schlecht um in der Dunkelheit zu fahren. Eine Entscheidung die mir eine ziemlich schlaflose Nacht beschert, da meine Ohren neben den Fröschen, Grillen und Fledermäusen versuchen, die Elefanten nicht zu verpassen.

31.03.2010 Nyahururu- Kericho

Am frühen Morgen erreichen wir den spektakulären Wasserfall, der sich 50 Meter in die Tiefe stürzt. Ein angenehmes Klima, in dem wir uns unseren ersten “Kenya Chai” gönnen. Unser Tagesziel ist Kericho, wir fahren durch das unglaublich grüne Rift Valley, hier haben sich viele Großbauen angesiedelt, Weizen wird mit großen Maschinen geerntet, der Kleinbauer findet kaum noch einen Platz für seinen Mais. In Nakuru erreichen wir die Zivilisation- der erste große Supermarkt seit Monaten. Kuchen, Eis, Yoghurt, Milch, Käse, Schokolade, in unserem Korb landen Luxusgüter, auf die wir seit Ägypten nahezu verzichtet haben. Zum einen, weil sie viel zu teuer waren, zum anderen, weil man sie lediglich in den Hauptstädten erwerben konnte. Die Lady macht uns mit der neuen Benzinmischung kleine Probleme, Fehlzündungen oder “Backfire” bei Bergabfahrten. Wir stellen die Zündung erneut ein und kommen bis Kericho. Kericho ist die höchste Stadt Kenias und für seinen Teeanbau bekannt.

Im wild romantischen Sonnenuntergangslicht über den giftgrünen Teefeldern erreichen wir “Rays Place”, ein kleines Hotel, in dem Jonathan vor 1,5 Jahren schon einige Tage mit seinem Vater verbracht hat.

01.04.2010 Kericho Rosen- Kisumu Waisenhaus

Jonathan trifft sich mit dem 2. Vorsitzenden von Finlays, einer Tee und Rosenanbaugesellschaft. Er plant, seine Masterarbeit über Fairtraderosen aus Kenia zu schreiben und bekommt vom Vorsitzenden grünes Licht. Am Nachmittag machen wir uns auf den Weg gen Westen, Kisumu liegt 90 Kilometer vor uns. Die Straßen sind im letzten Jahr erneuert worden, doch schon jetzt sind wieder neue, tiefe Schlaglöcher im Asphalt zu finden. Kisumu erreicht stellt sich ein Gefühl der Heimat ein. Ich kann es kaum in Worte fassen, wie es sich nach 5 Monaten der “unbekannten Welt” anfühlt, ein Stück Straße, ein Stück Haus, ein bekanntes Gesicht wieder zu erkennen. Zu wissen, wo ich Nahrungsmittel einkaufen kann, wo es ein Internet gibt, wo die nächste Post, die nächste Tankstelle zu finden ist. Es fühlt sich gut an. Menschen anrufen zu können, die mit gefiebert haben, ob wir es wirklich schaffen werden, ihr Heimatland mit einem Auto aufzusuchen, sagen zu können, dass wir gesund sind, dass es uns gut geht, wir nur ein wenig müde sind...

Wir fahren zum Waisenhaus St. Theresa, hier habe ich 2008 mit Landsaid gearbeitet, um den vielen Kindern, die während der Wahlunruhen ihre Eltern verloren haben, eine medizinische Unterstützung zu geben.2009 habe ich diesen Ort mit Jana aufgesucht, einige Tage haben uns die 50 Kinder auf Trab gehalten. Eine neue Sister hat die Leitung übernommen, wir können dennoch für ein paar Tage bleiben, parken die Lady im Schatten der Bäume, die Kinder sind neugierig, vorerst aber sehr zurückhaltend.

02.04.2010 endlich wieder sauber...

Wir genießen den Vormittag in einem kleinen Schwimmbad um uns mit dem dort tätigen Bademeister zu treffen. Amos arbeitet seit 1,5 Jahren mit Ulrich Happ zusammen, um die von Ulrich entwickelten LED- Lampen auf den Markt zu bringen. Am Nachmittag steht Michael, ein guter Freund, vor der Lady und traut seinen Augen kaum. Er spricht aus, was viele denken: i cant believe this... Und nicht zum ersten Mal auf unserer Reise kann ich es auch kaum glauben, dass wir es wirklich bis nach Kenia geschafft haben.

03.04.2010 Kisumu

Nachdem die Lady vom Schlamm befreit wurde treffen wir uns mit Michael und Fred, danach mit Tom. Anschließende erneut mit Amos, um das LED- Projekt genauer unter die Lupe zu nehmen. Mit Kamera unter dem Arm treffen wir in seinem kleinen Restaurant ein, indem seine Frau Tee, Chapati und Samosa verkauft. Amos selbst hat leider wenig Zeit, um sich dem Projekt zu widmen, dennoch hat er bereits einige der Lampen mit seinem Sohn gebastelt und verkauft. Er versucht, die Lampen an die kleinen Marktstände zu bringen, damit diese auf die umwelt- und gesundheitsschädigenden Kerosinlampen verzichtet. Außerdem sparen die Menschen mit diesen Lampen viel Geld, haben sie vorher ihre Lampen täglich für 40 Shillinge mit Kerosin füllen müssen, laden sie nun ihre Batterien pro Woche für 50 Shilling und können dazu noch Radio und co nutzen. Er nutzt sein kleines Restaurant um die Lampen zu vermarkten, hier ist guter Durchgangsverkehr und die Leute haben Zeit, sich die Lampen genauer anzusehen.

04.04.2010

Wir widmen uns am Ostertag der Lady, ziehen alle Schrauben nach, stellen Vergaser und Zündung ein, säubern die stark verrußten Zündkerzen.

05.04.2010 Kisumu- Nyabondo

Früh am Morgen verlassen wir Kisumu um nach Nyabondo zu fahren. Hier wurde vor einigen Jahren von der Arzt- und Zahnarzthilfe Kenia e.V. ein großes Projekt aufgebaut. Fast nebenbei wurde eine HIV- Initiative mit einem aus Deutschland zusammen gestellten Container bereichert. Der Container beinhaltete über 30 Fahrräder und in Deutschland von der GEP entwickelte Lastenfahrräder. Der Container sollte als Fahrradwerkstatt dienen, sämtliche Ersatzteile und eine große Solaranlage wurden ebenfalls zur Verfügung gestellt. Das Projekt lief etwa 1 Jahr gut, die Initiative hatte ein zusätzliches Einkommen, indem sie Fahrräder verleihen und reparieren konnte. Doch nach einem Jahr waren sämtliche Ersatzteile aufgebraucht und auf dem lokalen Markt nicht ansatzweise aufzutreiben. Die leichten “Karstadt”- Fahrräder waren der schlechten Straße nicht mächtig, die so schon schwer fahrbaren Lastenräder konnten nicht zum Einsatz kommen. Zu allem übel wurden die mitgeschickten Solarbatterien, die von den Dorfbewohnern ausgeliehen werden konnten, nicht, wie geplant, an der Solarzelle geladen, sondern aus uns nicht bekannten Gründen ans normale Stromnetz zum laden gehängt. Neue Batterien können bis zum heutigen Zeitpunkt aus finanziellen Gründen nicht neu beschafft werden, somit wird die große Solaranlage nicht genutzt. Wir nehmen uns zwei Tage Zeit, um mit den Menschen zu sprechen, warum ihrer Meinung das Projekt zugrunde gegangen ist und bekommen am Ende die überraschende Antwort. Grace würde, wenn sie finanzielle Mittel hätte, das Projekt gerne wieder neu aufbauen, doch keine Materialien aus Deutschland nutzen wollen, sondern auf dem einheimischen Markt schauen, was dieser zu bieten hat. Denn dann könnte sie sich sicher sein, keine Probleme beim beschaffen von Ersatzteilen zu haben. Eine logische Schlussfolgerung und sehr interessant, da viele NGOs ihre kompletten Projektmaterialien aus Europa nach Afrika verschiffen. Dieser Weg vielleicht bequemer ist und in vieler Hinsicht auch sinnvoll, da es sich oftmals um gespendete Hilfsgüter (Zahnarztpraxis, Krankenhausartikel,...) handelt. Dennoch ein Kritikpunkt, denn nachhaltige Entwicklungshilfe sollte unserer Meinung nach auch sein, den einheimischen Markt zu unterstützen und diesen nicht vollständig zu umgehen, nur weil es bequemer ist.

Wir verbringen die Nacht bei Tom im Garten vor seiner kleinen Lehmhütte. Dieser zeigt, dass auch Kenianer kreativ sein können. Er hat eine Marktlücke in seinem Wohngebiet entdeckt. Sein Volk liebt Fisch; der Viktoriasee ist für frischen Fisch aber zu weit entfernt. Nun hat er auf seinem Land einen Fischteich angelegt, indem er mit Kuhmist den Sauerstoffaustausch gewährleistet. Er züchtet Fische aus dem Viktoriasee groß und verkauft diese dann auf dem Dorfmarkt.

06.04.2010 Nyabondo- Kaplomboi

Kleine Planänderung. heute sollte es eigentlich nach Muhuru Bay gehen, hier wollten wir uns ein Greenpeaceprojekt anschauen. Greenpeace hat mit vielen großen Organisationen zusammen Kühlschränke auf Solarbasis entwickelt, die hier ihren Einsatz finden. Doch Andrew, Projektmanager, ist diese Woche in Nairobi, so verabreden wir uns für kommende Woche. So entscheiden wir uns, nach Kaplomboi zu fahren. Hier unterstützen wir selbst mit unserem Verein seit 3 Jahren eine Gesundheitsstation und eine Schule, die von Franziskanernonnen geleitet werden. Wir nehmen die Abkürzung von Sondu nach Sotik, von dort aus weiter nach Kaplomboi. Die Straße ist nahezu schlechter als all die, die wir bereits hinter uns gelassen haben. Wellblech, Steine, Matsch, aber unglaublich schöne Landschaft. Giftgrüne Teeplantagen, Maisfelder, Bananenstauden. Die Häuser sind aus Lehm, mit einfachen Stroh oder Wellblechdächern, bunte Wäsche liegt zum trocknen auf den Sträuchern, die liebevoll um das Grundstück gepflanzt sind. Kühe und Ziegen, Esel die Wasser oder Feuerholz tragen. Wir sind angekommen. Unser Endziel. Wir haben es geschafft, wirklich geschafft. Jetzt heißt es, all die auf dem Weg gesammelten Eindrücke und Erkenntnisse in unserem eigenen Projekt zu verarbeiten, einzuflechten, Probleme zu erkennen, Fehler zu vermeiden, Fragen zu stellen. Wir werden herzlich begrüßt, Sister Gracia kann es nicht glauben, lässt uns nicht wieder los. Und wir können kaum glauben, was hier im letzten Jahr passiert ist....

07.04.2010- 10.04.2010 My haeven is a busy place......

Die von uns finanzierte Maternity ist fertig und soll in der nächsten Woche eröffnet werden. Es ist ein wunderschönes Gebäude geworden, welches mit den von uns im Container geschickten, medizinisch gespendeten Hilfsgüter, ausgestattet worden ist Sister Gracia hat bereits eine lokale, erfahrene Hebamme eingestellt und sich mit den “weisen Frauen”, die bisher Hausgeburten in dieser Region ausgeübt haben, zusammen gesetzt. Sister Gracia hatte viele Probleme während der Bauphase, nicht zuletzt dass der aus Kisumu gebrachte Sand vom Regen weg gespült wurde und die gekauften Farbdosen alle einen unterschiedlichen Cremefarbton aufweisen.

Die Regierung hat vor einem Jahr ein Bohrloch auf dem Krankenhausgelände für die Community geschaffen, für welches ich mich persönlich während meines ersten Aufenthaltes mit vielen Behörden rumgeschlagen habe. Doch nach einem Jahr fehlt noch immer die Pumpe, um das Wasser aus 80 Meter Tiefe an die Oberfläche zu befördern. Doch diese Arbeit soll die Regierung beenden, nicht wir.

Der Zahnarzt ist ein neuer, er hat in Nakuru studiert und ist voller Tatendrang. Die von uns im Container geschickte, und von der Arzt und Zahnarzthilfe gespendete, Zahnarztpraxis ist im guten Betrieb, täglich kommen 2- 5 Patienten. Die AZK hat im vergangenen Jahr einige Zahnärzte aus Deutschland nach Kaplomboi gebracht, die im Team in die Dörfer fahren und dort behandeln. Daher hat Sister Gracia noch ein neues Gebäude als Gästehaus errichtet.

Der Health Center läuft seit der Materialaufstockung gut, viele Patienten werden aus anderen Gesundheitsstationen nun nach Kaplomboi geschickt.

Auch die Schule Queen of Peace hat es durch finanzielle Unterstützung aus Canada geschafft, ein neues Gebäude zur erreichten, um die Klassenräume zu vergrößern. Die von uns im letzten Jahr eingerichtet Computereinheit läuft überraschend gut, 117 Kinder werden von einem im letzten Jahr eingestellten Computerlehrer 1-2 Mal in der Woche unterrichtet. Kinder, die vorher nie an einem Computer gesessen haben, können bereits Texte schreiben, speichern, Programme öffnen.

Die ersten zwei Tage nach unserer Ankunft verbringen wir mit Schlafen. Die Erschöpfung die in uns steckt wurde über Wochen ausgeblendet. Wir hatten wenige Tage, an denen wir uns eine wirkliche Auszeit genommen haben. Dann wird Jonathan krank. Durchfall. Amöben. Eine schnelle Behandlung mit Metronidazol, wir sind zum Glück an einer guten Quelle. Doch es geht ihm nicht besser, in der nächsten Nacht muss er sich einige Male übergeben, hat starke Kopfschmerzen. Wir lassen am Morgen zur Sicherheit einen Malariatest machen, der positiv ist. Wir haben beide keine Malariaprophylaxe genommen, zu viele Nebenwirkungen, zu teuer und zu schlechte Eigenerfahrungen mit dem Zeug. Dennoch, durch die schnelle Diagnostik und Behandlung kommen die Parasiten kaum zum Zuge und es geht ihm nicht zu schlecht.

12.04.2010 Karibu

Sister Gracia kann es sich doch nicht verkneifen und gibt uns ein Willkommenfest. Die Community aus Kaplomboi und Ndanai bezeichnet es als “Mirakel”, dass wir von Deutschland nach Kaplomboi mit der Lady fahren. Sie danken Gott, dass er den gesamten Weg eine schützende Hand über uns gehalten hat, wir danken der Lady, dass sie durchgehalten hat.

Anschließend machen wir ein Interview mit zwei Mitgliedern der “Family Life Group” aus Ndanai. 13 Ehepaare haben sich zusammen geschlossen, um sich im Alltag gegenseitig zu unterstützen. Sie kennen sich über die Kirchengemeinde und haben 2006 eine Selbsthilfegruppe gegründet. Sie sparen gemeinsames Geld, um damit zusammen getragene Probleme zu lösen. So hat bereits jedes Mitglied eine Solaranlage auf dem Dach, für ein Grundeinkommen hat jede der 13 Mitgliedsfamilien 13 Hühner bekommen (von jeder Familie eins). Jeden Monat wird der ausgelosten Reihe nach eine Familie mit dem zusammen getragenen Geld ausgestattet. Seit einem Jahr unterstützt die Gruppe auch 59 Waisenkinder aus der Region u.a. dadurch, dass das von der Regierung bereitgestellte Wasser zu einem “Solipreis” von 5 Shilling erworben werden kann, 2 Shilling gehen davon zu den Waisenkindern (Normalpreis für 20 Liter sind 3 Shilling).

Gestern haben wir Tom kennen gelernt. Tom ist bereits seit einigen Monaten in Kenia und arbeitet in mehreren Projekten als Zahntechniker. Er hat von Sister Gracia über uns gehört und die Lady anhand eines Fotos von der Webseite bereits in Kisumu im Vorbeifahren erkannt. Tom gibt uns eine Bestätigung zu unserer bereits gemachten Erfahrung in anderen Projekten. Die weißen Ärzte versuchen im geringsten, sich selbst überflüssig zu machen. Denn damit würde der Abenteuerurlaub in Afrika sterben... Für viele ist der Einsatz im “Busch” der Versuch, schöne Urlaubstage mit einem Sinn auszustatten. Dagegen haben wir nichts einzuwenden. Doch muss unserer Meinung nach von Orten, an denen bereits engagierte, lokale und gut ausgebildete Zahnärzte den Weg in die Community gefunden haben, abgesehen werden, denn dort ist die Gefahr durch das gut gemeinte Hilfsangebot der europäischen Ärzte, den Kenianer als “Second- class- Doctor” darzustellen, zu groß. Denn welchen Eindruck vermittelt man den Dorfbewohnern, indem in einer gut laufenden Praxis eines Tages plötzlich zwei weiße Ärzte an den Geräten sitzen und der sonst vertraute kenianische Arzt nur noch Gehilfe ist? Auch haben wir gegen einen Erfahrungsaustausch und ein Lernprogramm nichts einzuwenden, doch dieses kann nicht so aussehen, dass der europäische Arzt Aufgaben übernimmt, die dem lokalen Arzt bereits frei von der Hand gehen.

13.04.2010 Besuch bei Peter

Wir besuchen Peter zu Hause, trinken frische Kuhmilch und essen Ugali mit Skumawiki. Es hat sich in einem Jahr durch die Family Life Group viel bei ihm getan, er hat bereits eine Solaranlage (hat vorher Kerosin genutzt), einen Hühnerstall, einen Ziegenstall, ein neues Haus für die Küche. Jonathan hat die Malaria und die Amöben bekämpft. Er hat einige Kräfte und Kilos gelassen doch die werden wir schon wieder aufgefüllt bekommen...

14.04.2010 Kaplomboi- 20 Kilometer hinter Narok

Der Abschied fällt mir schwer. Nicht nur diesen friedlichen Ort zu verlassen, vielmehr realisiere ich bei der Abschiedsumarmung, dass unsere Reise dem Ende entgegen geht. 6 Monate sind wir auf der Straße. 6 Monate, die mir wie 2 Jahre vorkommen. In den Köpfen sind so viele Bilder, teilweise durch Gespräche bereits sortieren, doch auch dies braucht noch viel Nachbearbeitung, Reflektion. Wir haben viele Ideen über das Leben, über Gerechtigkeit, Armut, Krankheit, Freude....und nicht zuletzt über Entwicklungshilfe sammeln können. Ideen, die es zu überarbeiten gilt, um ein Konzept entwickeln zu können, welches nicht nur heißen wird- Gelder streichen. Welches vielleicht sogar neue Ansätze beinhalten könnte, oder aber alte Ansätze aufarbeitet und deutlich macht, wo gearbeitet werden muss, um diese Ansätze nachhaltig zu gestalten.

Unser Ziel ist Lake Naivasha, hier wollen wir die drei Engländer treffen. Wir nehmen alle Abkürzungen, die wir auf der Karte finden können und geben uns auf den vorerst letzten 400 Kilometern Fahrstrecke noch mal den Rest. Dennoch lohnt e sich immer wieder auf die Pisten abzubiegen, erstaunlich wie viel Scharm eine Asphaltstrecke schlucken kann.

Apropro Asphalt. Die Chinesen bauen wie wild, in allen afrikanischen Ländern die wir bislang befahren haben. Erstaunlich, wo selbst Ägypten die Prognose abgegeben hat, das Ölvorkommen reicht für das Land noch maximal 20 Jahre. Dennoch wird der Individualverkehr auf der Straße mit erheblichen Summen neu ausgebaut, kein uns bekannter Ansatz versucht in Afrika neue Konzepte der Fortbewegung. Auch haben sich, verständlicher Weise, mittlerweile bis in die weit abgelegenen Dörfer die Motorräder gegen die Fahrräder durch gesetzt. Wie kann ein ganzer Kontinent der Zukunft entgegen arbeiten, wenn dieser den Industrieländern in aller Hinsicht nur hinterher läuft, so nie einen Schritt voraus sein wird? Ist das im Entwicklungskonzept Afrikas so voraus geplant worden? Würden die Länder sonst zu stark werden, wenn wirklich zukunftsfähige Konzepte erarbeitet werden würden? Warum packt man auch hier wieder die Dinge aus, die in Europa schon zum Scheitern verurteilt sind, an Ersatz bereits gebastelt wird? Warum teert man den Kontinent ein, statt für diese Gelder zu entwickeln, speziell für Afrika? Sind es die Rohstoffe, um die es in den nächsten 50 Jahren geht, bevor auch diese erschöpft sind??

Wir erreichen nach 40 Kilometern Offroadstrecke Asphalt, verlassen diesen hinter Narok aber wieder um die Abkürzung gen Naivasha zu nehmen. Die Lady macht schlapp, bekommt kein Benzin mehr angesogen. Wir vermuten die Benzinpumpe, da der nachfolgende Schlauch komplett trocken ist. Die Pumpe ist nach Ausbau allerdings funktionstüchtig, auch Benzin haben wir bereits nachgefüllt. Der Filter war es. Weiterfahren, kurze Zeit später gleiches Problem. Verdacht liegt nahe, der Filter wird erneut auseinander gebaut. Doch dieses Mal war es doch das fehlende Benzin...

Es wird dunkel, die Straße immer schlechter. Der Regen setzt ein, eine Steigung vor uns. Trotz Allrad, Sperren und tiefen Gelege rutsch die Lady wie auf Schmierseife gen Abgrund. Nach dem dritten Versuch und immer stärkerem Niederschlag entscheiden wir, den Berg am nächsten Morgen in Angriff zu nehmen. Die Nacht ist wie ein Kino, einige Autos versuchen sich auf der Straße, alle rutschen in den tiefen Wassergraben...

15.04.2010 20 Kilometer hinter Narok- Naivasha- Nairobi

Eine große Menschenmenge versammelt sich um uns, als wir die Reifen vom Matsch befreien und Luft ablassen. Der Berg ist ohne Regne nur noch eine mittlere Herausforderung. Aussagen zur nachfolgenden Straße sind sehr unterschiedlich- zehn befragte Personen, zehn verschiedene Meinungen... Es folgt eine unglaublich schöne Landschaft, die Straße mit tiefen, matschigen Schlaglöchern gesäumt, die für uns aber kein großes Problem darstellen. Dennoch sehen wir 2 LKWs, die sich tief in den Matsch eingebuddelt haben und auch wir benötigen nicht nur einmal Allrad und tiefes Gelege. Die Strecke belohnt uns, die tiefhängenden Wolken auf 2800 Meter Höhe lichten sich je tiefer wir kommen und wir werden mit einem wunderschönen Blick auf den Lake Naivasha belohnt. Unten angekommen hüpfen Gazellen und Zebras über die Straße, in der Ferne sehen wir mehrerer Giraffen. Leider sind die Motorradfahrer 30Minuten vor unserer Ankunft gen Nairobi gefahren. Wir Frühstücken in dem großen Garten vom Campingplatz und machen uns auf guter Straße auf nach Nairobi. Unsere letzten 80 Kilometer. Beide sind wir in einem leicht sentimentalen Zustand, reden kaum, verstehen uns trotzdem.

In Nairobi in der Jungle Junction angekommen warten die Engländer, Bodo und Bine und Erik und Alexandra bereits auf uns. Große Überraschung, auch Eva und Huila auf den Fahrrädern haben es bereits geschafft, sind bis Isiolo auf einem Kuhtruck mitgefahren.

16-18.04.2010 Nairobi

Wir machen die Lady schick, um sie für mehrere Monate einzumotten. Jonathan kontrolliert alle Bremsen, 3 von 6 Bremszylindern lecken und müssen ausgetauscht werden. Noch mal große Überraschung, auch Sybille und Wolfgang treffen auf ihren Motorrädern ein. Die “Kairocommunity” ist wieder vereint, nur die Hollandis sind bereits über Uganda und Ruanda auf dem Weg nach Tansania.

Unser Heimflug wird Dienstag Nacht sein. Derzeit ungewiss, wann wir ankommen und vor allem wo, denn ein isländischer Vulkan hat eine große Aschewolke in die Atmosphäre gespuckt, durch die in den letzten zwei Tagen sämtlicher Flugverkehr über viele Teile Europas eingestellt wurde.