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Syrien

22.11.2009 Kahyalar-Aydincik

Alles gut und nichts aufregend.

23.11.2009 Aydincik-Ceyhan

Alles gut und nichts aufregend.

24.11.2009 Ceyhan-Aleppo

Zur Abwechslung mal ein lauter, ungemütlicher Schlafplatz direkt an der Straße, Ceyhan ist eine reine Industriestadt, es wird aber dunkel und wir geben uns mit diesem Ort zufrieden. Polizeikontrolle bleibt natürlich nicht aus. Am Morgen steigen wir ohne Kaffe ans Steuer und machen uns schon gegen 7.30 Uhr auf den Weg Richtung Syrien. Eine Pause mit Milchreis, wir stellen den fertigen Radfahrerfilm ins Netz. Ein tolles Gefühl so autark durchs Land zu reisen- selbst Internet funktioniert fast überall, wir haben genug Strom so dass wir unsere Arbeit an jedem Ort der uns gefällt ausführen können. Gestern haben wir gelesen, dass Computer, Radios und Videokameras teilweise nicht mit ins Land eingeführt werden dürfen. Mhm, was tun, unser Auto ist voll mit dem Zeug... Wir verstauen die Dinge unter dem Bett zwischen den Kisten und fahren doch mit einem nicht ganz so entspannten Lächeln an die Grenze. Sehen, wie ein türkisches Auto komplett auseinander genommen wird, die Beamten kleinlich jeden Winkel durchsuchen. Syrien ist das einzige Land, von dem in unserem Reisepass bereits ein Visum vorhanden ist. Wir haben ein Carnet de Passage, einen internationalen Führerschein. Nur keine US- Dollar. Ein verhängnissvoller Fehler. Doch durch die Hilfe der netten “Auslandshilfeauskunft” kommen wir nach 2 Stunden ohne jeglicher Fahrzeugkontrolle durch die Grenze, haben knappe 70 Euro abgedrückt (45 Euro KFZ- Versicherung, 20 Euro Straßengebühr und 6 Euro irgendeine “Lokale Gebühr...) und unsere Euros zu einem nicht nachvollziehbaren Wechselkurs getauscht. Der an der Wand bereits angebrachte Adventskalender hat uns mit Sicherheit die letzte Fahrzeugkontrolle erspart, der Zollbeamte warf nur einen Blick in unser “Haus” . Ich will nicht wissen, was er beim Anblick der 24 nummerierten, kleinen Elche dachte, auf jeden Fall war damit die Sache erledigt...

Wir sind in Syrien. Unfassbar wie ein 50 (?) Kilometer langer Zaun, der durch drei Lagen Natodraht gesichert wird und mit Wachtürmen versehen ist, völlig verschiedene Kulturen, Mentalitäten, Landschaften trennen kann. Eine andere Währung, der Kaffe wird anders gekocht, die Sprache und Schrift sind eine völlig andere, gegessen wird jetzt mit Brot statt Löffel, viel mehr Kinder auf der Straße, Frauen mit komplett schwarz verschleierten Gesichtern, Männer in Kaftans, Häuser in einem völlig anderem Bau- und Farbstil... Ich dachte, durch die Fahrt mit dem Auto merkt man schleichende Veränderungen, doch dies ist ein kompletter Bruch. Gut, wir haben die Türkei nur von der West und Südseite gesehen, insofern vielleicht auch nicht ganz so gut zu beurteilen.

Wir fahren rechts an die Seite, fragen die vielen Kinder mit Händen und Füßen, ob wir hier heute Nacht in unserem Auto schlafen können. “No!” ist die eindeutige Antwort. Ich hätte mit allem gerechnet, aber damit ehrlich gesagt nicht. Okay, nächster Versuch, und wir sind erfolgreich. Wir können das Auto an einer kleinen Scheune parken, in der Olivenöl hergestellt wird. Wir müssen uns gleich die Anlage ansehen und werden zum Tee eingeladen. Irgendwie auch entspannend, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht. Wir lächeln uns alle nur freundlich an...

25.11.2009 Aleppo

Gleich nach dem Aufstehen die erneute Einladung zum Tee, wir nehmen dankbar an. Um den großen Tisch in der Scheune stehen viele Männer und Kinder, wenige Frauen gesellen sich dazu. es gibt Fladenbrot mit warmen “Kartoffelsalat”, ein großer Spaß für die Männer, Jonathan zu zeigen wie man das Brot zu einem Löffel um fungiert. Ob wir verheiratet sind verneinen wir, uns wird das Angebot gemacht, der einen heiratet den, der andere den, und alle gehen nach Deutschland. Ganz nebenbei werden wir von den Frauen gefragt, ob wir nicht 2 Kinder mitnehmen können. Erstaunlich, so “Contra-west” Syrien sein soll, Deutschland scheint einen recht guten Stand zu haben. Mir wird dies immer wieder auf Reisen bewusst- wie wird in Deutschland mit Ausländern umgegangen, wie werden wir als “Deutsche” im Ausland empfangen?! Peinlich, wirklich peinlich... Haben im Reiseführer gelesen dass es 25 km vor Aleppo einen Campingplatz gibt- wir sind 28 km vor Aleppo genau auf der Straße...aber was wären uns dann für Erlebnisse, die uns Syrien gleich am ersten Tag schmackhaft gemacht haben, entgangen, hätten wir den Campingplatz gleich gestern aufgesucht? Dennoch, auf einem Campingplatz steht unser Auto für Ausflüge in die Stadt besser- mit all den Werten die wir mitschleppen...und eine warme Dusche wäre auch mal wieder dran... Finden den Platz und machen uns gleich per Minibus auf nach Aleppo. Ja, schon hier in Syrien gibt es ein gut funktionierendes “Matatusystem”. Selbst die Landschaft hat sich mit der Grenze schlagartig verändert- steinig und trocken, viele Olivenbäume, keine Palmen mehr. Auch das Fahnenmeer, durch das die Türken ohne Zweifel ihren Nationalstolz preis geben, ist in Syrien nicht mehr zu finden. Aleppo soll die schönste Stadt Syriens sein- vielleicht im Sonnenschein, das können wir leider nicht beurteilen- es regnet. Die Frauen sind komplett verschleiert, nicht mal ein Sichtfenster für die Augen bleibt, häufig tragen sie schwarze Handschuhe. Grau- sandige Bauten, die durch die bunte Wäsche lebendig wirken, viele Moscheen. Wir besteigen die Zitadelle, von der wir einen wunderbaren Ausblick über die Stadt haben, schlendern durch die engen Gassen und Basare. Wir sind ziemlich erschlagen von den vielen Eindrücken, finden das richtige Matatu und erreichen in der Dunkelheit den Campingplatz. Unser Körper schreit nach einer Dusche- die letzte ist lange her. Doch leider gab es zu wenig Sonne, so dass das Wasser recht frisch ist. Auch die Nacht ist relativ kühl (ca. 10 Grad)

26.11.2009 Aleppo-Barri al Gharbi

Kleinigkeiten am Auto, für die wir uns im Sonnenschein Zeit nehmen, danach geht es Richtung Palmyra. Ein Ort mit großer Geschichte, wie wir aus dem Reisführer (Reise Know How) erfahren. Wir fahren die weißen Straßen, nicht die Autobahn, um mehr vom Land zu sehen. In Barrial al Gharbi suchen wir uns einen Schlafplatz.

27.11.2009 Barri al Gharbi- Abu al Balayah

Ab heute wird das Opferfest (Aid al Kabir) gefeiert. Wir haben von mehreren Leuten von diesem Fest gehört aber eine richtig Vorstellung haben wir nicht. Ich weiß nicht ob es mir gelingt, für die folgenden Erlebnisse die richtigen Worte zu finden, Worte, die den Gefühlen, Gedanken, Gesten je gerecht werden könnten. Am Morgen ist es neblig, maximale Sichtweite von fünf Metern. Wir hören den Gesang der Moschee, Kinder und Frauenstimmen. Dann nichts mehr. Totale Stille. Wir stehen auf, frühstücken. Irgendwie beschleicht uns ein komisches Gefühl. Es ist noch immer neblig. Doch dann geht die Sonne auf. Plötzlich tauchen wieder viele Menschen auf, überwiegend Kinder, Vogelstimmen und Autos. Wir machen uns auf den Weg. Die Dörfer sind wie ausgestorben, nur Kinder auf der Straße, die mit Plastikpistolen und Feuerwerkskörpern spielen. Mädchen in ihren schönsten Kleidern. In Abu al Balayah dann ein großer Schreck- der Bautenzug der Kupplung ist gerissen. Schöne sch...

In einem Dorf mit 500 Einwohnern finden wir mit Sicherheit keine Werkstatt, zumal heute Feiertag ist! Doch wir sind in Syrien... Wir haben noch nicht ganz das Problem festgestellt, schon sind wir umringt von einer großen Männergruppe. Ein junger Mann spricht gutes Englisch, seine Schwester kommt und entführt mich aus der Männergruppe in ihr Wohnhaus. Dort sitzen 20 Frauen zusammen um einen Benzinofen, trinken Tee. Ich bekomme Süßigkeiten, Kaffee und Tee. Draußen bekommt Jonathan einen Stuhl angeboten, Kaffee und die Männer liegen in ihren guten Kaftans unter dem Auto. Schnell sind mehrere Arten von Bautenzügen zusammen gesammelt, doch keiner passt. Wir werden in ein Haus geführt mit wunderschönem Wohnzimmer, bekommen Obst. Die Jugendlichen leben in Damaskus, sind für das Opferfest in die Dörfer zu ihrer Familie gekommen. Wir haben schönen Gespräche, die Jungen umringen Jonathan, die Mädchen mich.

Ein nagelneuer Bautenzug wird irgendwo aufgetrieben und schnell haben die Männer unsere Kupplung repariert. Doch unsere neuen Freunde wollen uns nicht gehen lassen, wir sollen unbedingt zum Essen bleiben. Uns wird das Dorf gezeigt, wir besuchen eine Beduinenfamilie, und eine Höhle, die vor Jahren den Menschen als Wohnraum diente. Innerhalb kurzer Zeit lernen wir viel über die Menschen, Kultur und Religion Syriens. Die Jugendlichen stellen politische Fragen- wie wir Israel sehen, was wir vom Irak und von Amerika halten. Syrien wirkt auf uns so friedlich, die Menschen so unglaublich gastfreundlich, die Vorstellung das Krieg hier noch viel allgegenwärtiger als in Deutschland ist, fällt mir schwer. Doch Bagdad ist knappe 400 Kilometer von uns entfernt, Israel grenzt an das Land, die Grenzen sind geschlossen, seit Jahren von den Friedenstruppen bewacht.

Wir bleiben bis morgen, es ist zu spät um weiter zu fahren. Diese Entscheidung soll sich lohnen- wir tanzen, singen, essen und lernen viele interessante Menschen kennen. Ich habe die Gelegenheit mit den Frauen alleine zu sprechen und erfahre- ohne viel nachfragen zu müssen- unglaublich viel über das Leben der Frauen in Syrien. Wir sprechen über Verschleierung, über Beziehungen zu Männern, über westlichen Kleidungsstil, über Zweitehen. Ich frage nach- was haltet ihr von Organisationen aus dem Westen, die kommen um für eure Rechte als Frau zu kämpfen, zu informieren, Frauen zu unterstützen. Sie lächeln. Ach, man hört zu, aber sobald man die Haustür betritt gilt der alte Trott, gilt das Gesetzt der Ehe, des Mannes. Sie entscheiden, wie weit eine Frau sich zu verschleiern hat, wenn man diesem nicht folgt wird man vom Mann im schlimmsten Fall verlassen, und dann? Eine verstoßene Frau nimmt niemand mehr auf, und sie kennen keine Organisation, die in diesem Fall unterstützt. Rahma, die älteste Frau in unserer Runde, verheiratet, 2 Kinder, unverschleiert in sehr westlichem Kleidungsstil, Lehrerin und sehr selbstbewusst sagt: “Bis die Frau hier in Syrien mehr Rechte bekommt, wird es mehrere Generationen dauern. Auch ich würde von meiner Tochter verlangen, dass wenn sie einen Mann kennen lernt, dieser ihr Mann fürs Leben sein muss...” Und sie fügt hinzu: “Uns Frauen geht es doch gut, warum brauchen wir Frauenrechtsorganisationen von außen? Wenn, dann müssen diese unserer Religion, unsere Mentalität, unser Leben verstehen können- und das können nur wir selbst.”

Ein toller Abend. Und diese Erlebnisse nur, weil der Bautenzug direkt vor der Haustür dieser Familie gerissen ist... Jonathan fragt im Bett: “Was würdest du tun, wenn am Heiligabend ein altes Auto mit zwei ungewaschenen, unrasierten Arabern vor deiner Haustür stehen bleibt, weil ein Bautenzug gerissen ist?...” Eine große Lektion der Gastfreundschaft... Wir können lange nicht einschlafen.

28.11.2009 Abu al Balayah- Palmyra

Nach Tee und Obst am Benzinofen machen wir uns auf den Weg nach Palmyra. Wir müssen unseren Freunden versprechen, dass wir uns in Damaskus wieder treffen. Wir bekommen Obst und eine Tasse voll mit Schokolade geschenkt, damit wir sie nicht vergessen... Unsere Stimmung kann auch durch den schon wieder undichten Bremszylinder am linken Vorderrad nicht getrübt werden. Immerhin hat die neue Dichtung aus der Türkei bis hier her gehalten :-) In diesem Dorf kann uns jetzt nicht weiter geholfen werden, wir versuchen bis Palmyra zu kommen.

Wir durchfahren einige Dörfer in denen uns ähnliche Bilder wie am Vortag begegnen, dann plötzlich nichts mehr. Die Wüste. Kilometerlang nichts. In weiter Ferne Zelte der Beduinen und Schafsherden. Unglaublich diese Natur, diese Stille, dieser Moment. Die Straße ist recht gut. Wir denken immer wieder- was wäre passiert, wäre uns dieser Bautenzug 30 Kilometer später gerissen.....

In Palmyra angekommen fahren wir durch “altes Gerümpel” um auf den Campingplatz zu kommen, der direkt am “Baaltempel” liegt. Zwischen Olivenbäumen parken wir die Lady, ein schöner Platz um die Erlebnisse des Vortages zu überdenken.

29.11.2009 Palmyra

Nähere Infos zu dieser fantastischen Stadt findet man im Internet oder Reiseführer. Wirklich lohnenswert, unbedingt vorher Bargeld abheben und Tanken! Haben wir beides natürlich verpasst... Treffen 2 Menschen aus Deutschland/ Polen. Die beiden sind auf dem Weg nach Südafrika. Per Anhalter. Unglaublich aber auf Reisen trifft man immer Menschen, die man für noch verrückter hält...

30.11.2009 Palmyra-Al Kharabah

Am Morgen muss die Lady noch mal ins “Gerümpel”, danach machen wir uns auf den Weg Richtung Libanon! Haben dort einige Projekte und die Zeit rennt. Das Opferfest ist vorbei. Fahren eine irre langweilige Strecke bis Homes, dann über die Autobahn bis Al Kharabah. Wollen erst morgen über die Grenze, da dies mit Sicherheit auch ein wenig Zeit braucht, haben noch kein Visa für den Libanon. Suchen uns einen netten Ort direkt am Meer, um hier unsere vorerst letzte Nacht in Syrien zu verbringen. Schnell werden wir von vielen Kindern und jungen Männern umringt, dann kommt ein bewaffneter Soldat hinzu. Wir sollen mit dem Auto mitkommen. Wir sind direkt an der Grenze zum Libanon. Direkt. Schon der recht vermüllte Strandabschnitt auf dem wir uns befinden ist militärisches Sperrgebiet. Wir werden in das Haus geführt, von 5 Soldaten umringt. Hektische Telefonanrufe werden getätigt, unser Autokennzeichen einige Male wiederholt. Ein neuer Mann kommt hinzu, der unsere Personalien überprüft, Autopapiere und Führerschein sehen will. Wir geben ihm die ganze deutsche Bürokratie in die Hand, die ihn total zu überfordern scheint, schnell haben wir die Dokumente wieder, bekommen einen Tee angeboten und einen neuen Schlafplatz, 2 Meter von dem alten entfernt, zugewiesen. Noch nie ist mir aufgefallen, dass im deutschen Pass keine arabischen Schriftzeichen, geschweige den chinesische enthalten sind... Später kommt einer der Soldaten auf dem Mofa angefahren und erkundigt sich, ob alles okay ist. Ich glaube, wir stehen hier so gut bewacht wie noch nie auf unserer Reise...