Startseite > Logbuch > Syrien_1

Syrien - Transit nach Jordanien

09.12.2009 Damaskus

Schon wieder eine Grenze. Hier gehen die meisten Kraftreserven verloren...

Stempel, Geld, Lächeln. Nach 2 Stunden haben wir es geschafft. Leider haben wir nur ein Transitvisa für 8 Euro, da das Visa aus Deutschland nur einen Landeseintritt zulässt und uns erneute 30 Euro zu teuer sind. So können wir uns nur 3 Tage im Land aufhalten. Schade, da wir in Damaskus noch 3 Projekte besuchen wollten... Auf der anderen Seite müssen wir uns eh ein wenig sputen um zum Weihnachtsfest in Ägypten zu sein. Damaskus erreicht, treffen wir auf einen netten jungen Mann aus der Schweiz, der uns zur Einrichtung für spastisch gelähmte Kinder mit orthopädischer Werkstatt von Terre des Hommes führt. Dieses wirklich große Projekt ist sehr interessant aber für gute Recherchearbeiten nicht an zwei Tagen abzuschließen. Auch wenn wir herzlich eingeladen werden, morgen an einer UN-Führung teilnehmen zu können, lassen wir uns schon heute durch das Projekt führen. Erfahren, wie wichtig in diesem Projekt der internationale Wissensaustausch zu sein scheint. Fachpersonal aus Europa kommt hin und wieder in den Libanon, um das in Frankreich ausgebildete libanesische Fachpersonal für die orthopädische Werkstatt weiter zu bilden. Dieses leistet tolle Arbeit- stellt Prothesen und Korsetts aller Art her. Viele Bein und Armprothesen gehen an sudanesische Kriegsflüchtlinge. Durch Spendengelder können Materialien und Maschinen aus Europa zur Verfügung gestellt werde und die Menschen kostenlos mit Hilfsmitteln versorgt werden. Das Projekt ist wirklich umfangreich- es gibt Physiotherapeuten, Logopäden. Auch eine kleine Schule ist etabliert- viele Eltern sehen nicht die Notwendigkeit, ihre körperlich behinderten Kinder in eine Schule zu bringen, Spezialschulen gibt es nicht. Der Projektmanager erzählt uns, dass dieses Projekt von Libanesen gestartet wurde und mittlerweile durch internationale Spendengelder finanziert wird. Unter anderem durch Gelder von CARITAS.

Wir schlendern in der Dunkelheit durch die kleinen Gassen der Altstadt von Damaskus, schöne Beleuchtung, viele kleine Läden mit Schmuck, Teppichen, Gewürzen. Menschen die in den Gassen sitzen, Tee trinken, der süßliche Duft der Wasserpfeifen liegt schwer in der Luft. Meine Eltern rufen an, es tut immer wieder gut ihre Stimme zu hören, mitteilen zu können das es uns gut geht. Wir treffen uns mit Bothema, unserer Freundin Abu al Balayah. Jonathan hat am Opferfest seine gute Winterjacke bei der Großmutter liegen gelassen. Bothema hat sie gefunden und mit nach Damaskus genommen. Sie hat einen Freund dabei, den sie liebevoll “Habibi” (Schatz) nennt, der sie umarmt und ihre Hand hält. Ein irakischer Kriegsflüchtling, er ist seit 3 Monaten im Libanon. Leider spricht er kein Englisch und Bothemas Englisch ist zu mühsam, als dass sie uns all unsere auf den Lippen liegenden Fragen hätte beantworten können. Wir fahren zu Bothemas Familie, alle erwarten uns. Ein mit Sofa, Sitzkissen, Benzinofen und Fernseher eingerichtetes Wohnzimmer, wir bekommen das hier übliche Fladenbrot mit Gemüse, dazu süßen Tee.

10.12.2009 Damaskus im Bett

Wir haben heute viel vor- doch manchmal muss man bereit sein, Pläne zu ändern. Jonathan wacht früh am Morgen mit starken Magenkrämpfen und Übelkeit auf. Wärmflasche, Tee, alles nur gute Ratschläge....auch der Adventskalenderinhalt kann heute nicht helfen. Das Essen von gestern mag nicht im Bauch verweilen, im laufe des Tages bekommt Jonathan sogar Fieber. Doch damit noch nicht genug. Alle halbe Stunde klopft es an unserer Tür- wir sollen doch ins Haus kommen. Da prallen die verschiedenen Kulturen aufeinander. Bothema will uns nicht allein lassen, kocht Kartoffeln, die schon beim aufsteigendem Geruch neue Übelkeit erzeugen... Sie will mich immer wieder ins Haus holen. Am Abend geht es Jonathan etwas besser, wir lassen uns überreden und machen einen “kleinen Spaziergang” mit ihr. Einmal um die Hausecke gebogen schon wartet ein Auto mit einem fremden Mann auf uns. Wir lassen uns zu seinem zweiten Haus mit Pool und Grillplatz fahren, er packt Früchte, Maronen, Kuchen aus Plastiktüten aus, legt seinen Arm um Bothema. Sie erzählt- er mag sie sehr, doch für sie kommt eine Beziehung nicht in Frage, da seine Familie einen Schleier trägt und er dies auch von seiner Frau verlangen wird. Bothemas Familie trägt keinen Schleier. Jonathans Bauch fängt wieder an zu rebellieren, er bekommt Schüttelfrost, verkriecht sich unter Decken. Bothema geht mit dem Mann raus. Ein verlogenes Spiel, von dem keiner etwas erfahren darf, da es streng verboten ist. wie weit sie wohl in derartigen Freundschaften gehen?

Wir drängen auf die Rückfahrt. Beide fühlen wir uns von Bothema auf komischer Weise ausgenutzt, nur in unseren Köpfen spielt sich ab, wie sie ihre Familie anlügt, um sich mit den Männern zu treffen, uns als Ausrede benutzt.

Auch auf der Heimfahrt werden wir nicht bis vor die Tür des Elternhauses gebracht, sondern in einer dunklen Ecke raus gelassen. Als Bothema mich wieder aus dem Auto zerren will um noch einen anderen Besuch zu absolvieren, platzt mir der Kragen. Wie ignorant kann man denn eigentlich sein??? Jonathan hat 38.9 Fieber, keine weitern Symptome als Magen und Darmschmerzen, Übelkeit. Ich mache mir Sorgen, habe doch im Buch gelesen, dass es in Nordsyrien ein hohes Malariarisiko gibt, welches wir völlig ausgeblendet haben... Doch Nordsyrien ist schon zu lange her. Mit Paracetamol prügeln wir das Fieber runter, hoffen auf eine kleine Lebensmittelvergiftung.

Mit Krankheit scheint es genauso wie mit dem Auto zu sein- eine große Kiste an Medikamenten und Ersatzteilen- aber die richtigen Fehlen...

11.12.2009 Damaskus- Jerash/ Dibbin Nationalpark

Nach einer durchschwitzten Nacht geht es dem Patienten besser. Doch großes Frühstück im Haus ist noch immer nicht so seins- Bothema ist sichtlich enttäuscht, gibt dieses auch direkt zum Ausdruck. “Warum willst du kein Brot, kein Ei, keinen Kaffee?” Gastfreundschaft in allen Ehren, aber irgendwo reicht es. Wir packen schnell unsere Sachen und machen uns nach einer doch recht kühlen Verabschiedung auf den Weg. Gut das es Jonathan wieder besser geht- heute läuft unser Visum ab und wir müssen Syrien verlassen. Wir suchen vor dem Grenzübergang noch die Wasserfälle in auf, die im Reiseführer toll beschrieben werden. Doch wir müssen erkennen- lieber keinen Reiseführer als einen schlechten, dann verschwendet man wenigstens nicht so viel Zeit auf der Suche nach den Schönheiten im Land, sondern entdeckt sie einfach selbst und im vorbei fahren...

Und dann mal wieder eine Grenze. 20 Euro um das Land verlassen zu dürfen- kommt uns total absurd vor. Der erste Grenzbeamte lächelt uns an, “give me money...”, der zweite fragt ob wir verheiratet sind, als er die Verneinung hört schaut er mir tief in die Augen und schenkt uns einen Tee ein. Syrien verlassen, dann kommen die Jordanier. Mit Maschinengewehren auf den Autodächern des Militärs werden wir begrüßt, müssen über eine Grube fahren, unser Auto wird auch von unten beleuchtet. Autoversicherung, Visum, Straßengebühren- innerhalb kürzester Zeit sind wir 90 Euro los. Durch den netten Hinweis des jungen Mannes der für die Versicherung verantwortlich ist haben wir noch viel Geld gespart- nehmt eine für 7 Tage, ihr könnt damit auch 10 Tage bleiben, die Strafe beläuft sich auf 5 Euro. Er schenkt uns eine Orange. In der Dunkelheit verlassen wir die Grenze, fahren über gut beleuchtete Straßen bis Gerasa, hier soll es laut Reiseführer einen Campingplatz geben. Jonathan hat sich nach 2 durchschwitzen Nächten eine Dusche verdient. Doch es soll nicht so sein- vergeblich suchen wir den Ort, werden nicht fündig. Halten in der stockfinsteren Nacht in den Bergen mit einem wunderschönen Blick auf die beleuchtete Stadt unter uns.